Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
dem Restaurant machte ich einen Augenblick halt, um zu sehen, ob die Luft rein war. Kelly kämpfte noch immer mit ihrer Pizza.
»Du hast dir aber Zeit gelassen!« sagte sie mit dem Mund voller Pilze.
»Ja, auf der Toilette hat’s kein Klopapier gegeben«, sagte ich lachend, während ich mich zu ihr setzte.
Sie überlegte kurz, dann lachte sie mit.
22
Als wir zurückkamen, stellte ich für Kelly den Fernseher an und leerte die Tragetaschen auf meinem Bett aus. Sie wollte wissen, wozu ich das ganze Zeug brauchte.
»Ich muß nur Pat helfen. Er hat mich gebeten, etwas für ihn zu erledigen. Wenn du willst, kannst du jetzt fernsehen. Bist du hungrig?«
»Nein.« Sie hatte recht; nach einer Pizza von der Größe einer Panzermine war das eine dämliche Frage.
Ich setzte mich mit der großen Küchenuhr mit dem rotweißen Rahmen in meinen Sessel am Fenster. Dann fing ich an, den Rahmen Stück für Stück abzubrechen, bis ich nur noch das Zifferblatt mit den Zeigern und dem dahinter montierten Quarzuhrwerk auf den Knien liegen hatte. Als nächstes machte ich mich daran, das Zifferblatt aus Kunststoff in kleinen Stücken abzubrechen. Als es schließlich kaum noch größer als das Uhrwerk war, brach ich auch die Stunden- und Sekundenzeiger ab. Jetzt war nur noch der Minutenzeiger übrig. Ins Uhrwerk setzte ich eine neue Batterie ein.
Kelly sah mir interessiert zu.
»Das ist ein Zauberkunststück. Ich zeig’s dir, sobald ich fertig bin, okay?«
»Gut.« Sie wandte sich dem Fernseher zu, behielt mich aber weiter im Auge.
Ich ging mit dem Eierkarton zum Papierkorb und leerte seinen Inhalt aus. Dann riß ich ihn der Länge nach auseinander, so daß zwei Hälften mit je sechs Einbuchtungen übrigblieben. Aus Klebeband formte ich eine kleine Röhre, die am Rand des halbierten Eierkartons festgeklebt wurde und gerade groß genug war, um den Minutenzeiger aufzunehmen. Dann fragte ich Kelly, die den Titelsong einer Seifenoper mitsang: »Willst du sehen, was man damit machen kann?«
Sie beobachtete gespannt, wie ich den halbierten Eierkarton auf den Minutenzeiger steckte.
Das Sideboard befand sich knapp zehn Zentimeter unter der Schalterleiste des Fernsehers. Ich legte das Uhrwerk genau unter den Infrarotsensor des Geräts und fixierte es dort mit Gewebeband.
Kelly verfolgte meine Vorbereitungen mit wachsendem Interesse. »Was machst du da?«
»Hast du die Fernbedienung? Stell den Fernseher damit etwas lauter.«
Sie tat, was ich sagte.
»Jetzt wieder leiser. Okay, ich wette mit dir, daß du ihn in einer Viertelstunde nicht mehr lauter stellen kannst.« Ich setzte mich neben sie aufs Bett. »Aber wir müssen beide hier sitzen und dürfen uns nicht bewegen, okay?«
»Okay.« Sie glaubte offenbar, ich würde mich an der Fernbedienung zu schaffen machen, und versteckte sie lächelnd unter ihrem Kopfkissen.
Es wäre eigentlich ganz nett gewesen, in dieser Ruhepause mit Kelly fernzusehen, wenn sie nicht dauernd gefragt hätte. »Ist die Viertelstunde schon vorbei?«
»Nein, erst sieben Minuten.« Der auf den Minutenzeiger gesteckte halbe Eierkarton befand sich inzwischen auf seinem Weg nach oben.
Sobald der Eierkarton den Sensor verdeckte, forderte ich Kelly auf: »Also los, versuch mal, den Ton lauter zu stellen.«
Sie drückte auf die entsprechende Taste, aber nichts passierte.
»Vielleicht liegt’s an der Batterie?« neckte ich sie.
Wir legten eine neue Batterie ein. Trotzdem funktionierte die Fernbedienung nicht. Kelly kam nicht dahinter, woran es lag, und ich verriet ihr meinen Trick nicht.
»Zauberei!« behauptete ich grinsend.
Ich sortierte meine restlichen Einkäufe, trank einen Teil des Orangensafts, spülte die Plastikflasche aus und kontrollierte dann, daß die Geräte frische Batterien enthielten, bevor ich alles bereitlegte, was ich einpacken wollte.
Es war 22 Uhr 20, und Kelly schlief bereits. Ich würde sie wecken müssen, um ihr zu sagen, daß ich weggehen würde, denn ich wollte nicht, daß sie allein aufwachte und in Panik geriet. Manchmal war sie einfach nur lästig, aber ich empfand das starke Bedürfnis, sie zu beschützen. Sie sah so unschuldig aus, wenn sie wieder einmal Seestern spielte. Ich fragte mich, was später aus ihr werden würde - falls sie aus dieser Sache heil herauskam.
Ich kontrollierte alles noch einmal, zog das Mobiltelefon aus dem Ladegerät, steckte es ein, überprüfte meine Pistole und sah nach, ob ich meine Geldbörse eingesteckt hatte. Als Marschverpflegung nahm ich
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