Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
gespürt, dass Sarah hereingekommen und sich neben mir ausgestreckt hatte.
Sobald meine Augen sich an den durch die Jalousien fallenden schwachen Lichtschein der Straßenbeleuchtung gewöhnt hatten, konnte ich ihre Umrisse erkennen. Sie lag mir zugewandt zusammengerollt da, hatte beide Hände flach unter ihre Wange geschoben und schien schlecht zu träumen. Sie murmelte vor sich hin und begann den Kopf zu schütteln, als wolle sie etwas energisch verneinen. So verwundbar hatte ich sie noch nie gesehen. Ich lag auf einen Ellbogen gestützt da und sah sie nur an.
In der Wärme des Raums leuchtete ihr Teint matt, aber ihre Stirn war gerunzelt. Einen Augenblick lang schien sie sogar Schmerzen zu haben. Als ich ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter legen wollte, stieß sie einen leisen Schrei aus, warf sich herum und kam dann wieder zur Ruhe. Ihr Haar duftete noch immer nach Apfelshampoo.
Ich bildete mir ein, mich seit meiner Jugend ziemlich gut darauf verstanden zu haben, andere Leute auf Abstand zu halten. Das hatte mein Leben nicht gerade verschönt, aber ich war so ganz gut zurechtgekommen und hatte mir verdammt viele Enttäuschungen erspart. Aber dies war anders. Völlig anders.
Sie murmelte noch etwas und drängte sich im Schlaf näher an mich. Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Erst
Kelly, nun Sarah. Vermutlich würde es nicht mehr lange dauern, bis ich bei Immobilienmaklern nach einem Traumhaus auf dem Land mit Rosen über der Haustür fragte. Die
komplette Katastrophe. Genau davor hatte ich eine
Heidenangst.
Im Wohnzimmer lief noch immer der Fernseher. Eine
Frauenstimme versuchte uns einen Gartengrill als
Sonderangebot für nur 44,99 Dollar anzudrehen. Ich rutschte zur Bettkante, setzte mich auf und schob die Jalousie etwas beiseite. Im Augenblick regnete es nicht, aber Wasserbäche an der Scheibe ließen erkennen, dass erst vor kurzem ein weiterer Schauer niedergegangen sein musste. Meine beleuchtete Baby- G zeigte 2.54 Uhr an.
Ich stand langsam auf, bemühte mich, sie nicht zu wecken, und schlurfte in Richtung Küche. Als ich mir die Augen rieb, um wach zu werden, sah ich im Wandspiegel des Schlafzimmers eine Höllengestalt: Mein Gesicht war faltig und verquollen, weil ich auf dem Bettüberwurf geschlafen hatte, und meine fettigen Haare standen zu Berge, als hätte ich einen kräftigen Stromstoß mit einem Tazer verpasst bekommen. Während ich weiterschlurfte, kratzte ich mich am ganzen Körper. Es wurde Zeit, dass ich einen starken Kaffee bekam.
Mein Geklapper musste Sarah geweckt haben. Ihre Stimme hinter mir klang genau so, wie ich aussah und mich fühlte. »Machst du mir bitte auch einen?« Der Fernseher verstummte, als sie auf den roten Knopf der Fernbedienung drückte.
Sie saß auf dem Sofa, hielt ihre Hände zwischen den Knien und starrte verlegen den Teppichboden an, als sei sie nun doch als Mensch entlarvt worden. Ich erwartete fast, dass sie mich bitten würde, niemandem davon zu erzählen, aber das tat sie nicht. Stattdessen sagte sie: »Entschuldige, Nick, aber ich bin so allein und ängstlich gewesen. Ich hab deine Nähe gebraucht.« Sie sah zu mir auf. Aus ihrem Blick sprachen Schmerz und etwas anderes, das ich nicht recht identifizieren konnte. Ich hoffte unwillkürlich, es sei Bedauern. »Du hast mir viel bedeutet, Nick. Ich hab nur nicht gewusst, wie ich damit umgehen sollte. Tut mir Leid, dass ich damals so ekelhaft gewesen bin, tut mir Leid, dass ich mich jetzt so dumm benommen habe.« Sie machte eine Pause, als versuche sie, meinen Gesichtsausdruck zu deuten. »Das soll nicht wieder vorkommen, ich versprech’s dir.«
Ich schraubte den Pulverkaffee auf und spielte den Unbekümmerten. »Okay, okay, kein Drama.«
In Wirklichkeit hätte ich sie am liebsten umarmt, an mich gedrückt und für einen Augenblick so getan, als könnte ich alles wieder gutmachen. Aber ich war durch meine Erinnerungen daran, was sie mir in der Vergangenheit angetan hatte, und durch meine Befehle für die Zukunft wie gelähmt.
Während ich das Kaffeewasser aufsetzte, fühlte ich mich zunehmend verwirrt. Ich gab mir einen Ruck und versuchte, in die Gegenwart zurückzukehren. »Ich brauche Michael Warners Telefonnummer.«
Sie wusste nicht gleich, wen ich meinte. »Wessen Nummer?«
»Michael Warner. Ich brauche seine Privatnummer.«
Ich sah wieder zu Sarah hinüber. Ihr dämmerte allmählich, dass ich in Washington gewesen war. »Was hast du ihnen erzählt?«, fragte sie. So elend
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