Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
der
Marzipangeruch.
Nachdem ich die Klinge wieder erhitzt hatte, begann ich die Rille umgekehrt V-förmig auszuschneiden, so dass ringsum eine keilförmige Vertiefung entstand, in der vier sehr lange Toblerone-Riegel mit den Spitzen nach oben zu liegen schienen. Die Sprengstoffstreifen würden auf die Seiten dieses imaginären Schokoriegels gelegt werden, und wenn der fertige Rahmen zum Einsatz kam, würde seine flache Unterseite an das zu sprengende Objekt gepresst werden.
Man kann eine Brücke nicht in die Luft jagen, indem man sie einfach nur mit großen Dynamitstangen behängt. Um Beton, Mauerwerk oder Stahl mit geringstem Materialverbrauch und höchstem Wirkungsgrad zu zerstören, muss man die Sprengkraft kanalisieren, indem man den Munroe-Effekt nutzt. Wegen des Dreißiggradwinkels, den die Seiten des dem Objekt zugekehrten Toblerone-Riegels bildeten, würde der größte Teil der Spreng-Wirkung in Richtung Grundfläche des imaginären Schokoriegels gehen. Hätte der Dreikantriegel aus Kupfer bestanden, hätte die Sprengladung für mehrere Zentimeter Panzerstahl ausgereicht, weil das bei der Detonation schmelzende und mitgerissene Kupfer den Stahl durchstanzt hätte. Ich hatte kein Kupfer, nur Styropor, aber allein die Brisanz des Plastiksprengstoffs würde ausreichen, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.
Meine durch Nitroglyzerin ausgelösten Kopfschmerzen waren jetzt wirklich schlimm. Ich schluckte vier weitere Aspirin, so dass mir nur noch vier blieben.
Als ich mit der nochmals erhitzten Klinge weiterschnitt, waren draußen auf dem Korridor die Stimmen zweier Männer zu hören, die sich zu streiten schienen. Wenig später gesellte sich eine Frau zu ihnen, die zu versuchen schien, die beiden zu besänftigen.
Die Tür gegenüber meinem Zimmer wurde geöffnet und wieder geschlossen; danach entstand eine Pause. Ich wartete darauf, dass die gewohnten Geräuscheffekte einsetzen würden, aber statt dessen ging die Auseinandersetzung weiter - jetzt mit gelegentlicher Beteiligung der Frau.
Nachdem ich die Seiten des Toblerone-Keils rundum eingeschnitten hatte, war das Material zwischen seiner Basis und der Unterseite des Styroporschaumteils noch gut drei Zentimeter stark. Dieser Abstand war notwendig, damit der Munroe-Effekt auftreten und sich genügend stark auswirken konnte, um das Mauerwerk des Zielobjekts zu durchbrechen.
Nun brauchte ich die Sprengstoffstreifen nur noch über die Keile zu legen, sie oben zusammenzudrücken und darauf zu achten, dass sie aneinander anschlossen, damit eine einzige große Sprengladung entstand. Ich steckte meine Hände wieder in die Tragetaschen und begann zu drücken, zu schieben und zu formen, als arbeitete ich mit Modelliermasse. Im Zimmer gegenüber ging der Dreierstreit unvermindert weiter, aber das störte mich nicht; es war nett, zur Abwechslung Nachbarn zu haben, die miteinander redeten, statt zu grunzen und das Bett quietschen zu lassen.
Als der Styroporkeil dann mit zwei Lagen Plastiksprengstoff bedeckt war, schnitt ich zwei Stücke Zündschnur von einem und eineinhalb Meter Länge ab. In jeweils ein Ende der Schnüre machte ich zwei Knoten, die ich an gegenüberliegenden Ecken des Rahmens in die Sprengladung drückte. Gesichert wurden sie mit zwei zusätzlichen Streifen Sprengstoff, damit die Knoten fest in der Ladung saßen.
Die beiden gegenüberliegenden Sprengschnüre waren nötig, weil die Ladung von zwei Seiten gleichzeitig gezündet werden sollte, damit sie wirksamer war. Damit das sichergestellt war, umwickelte ich die unterschiedlich langen Sprengschnüre auf etwa 15 Zentimeter Länge eng mit Isolierband. Nun waren sie von diesem Punkt an gleich lang. Vorn aus dem umwickelten Teil ragte als Anhängsel der halbe Meter der längeren Zündschnur heraus. Erreichte die Schockwelle der Detonation, die sich durch die lange Zündschnur fortpflanzte, die umwickelte Stelle, zündete sie auch die kürzere Zündschnur.
Von diesem Augenblick ab waren Zündgeschwindigkeit und Entfernung gleich, so dass der Impuls die Sprengladung an zwei Punkten gleichzeitig erreichte. Der Munroe-Effekt würde die Sprengwirkung auf die Grundfläche des Keils konzentrieren und noch verstärken, während sie die drei Zentimeter Styropor durchschlug, bevor sie auf das Zielobjekt traf. Klappte alles wie vorgesehen, musste das Ergebnis ein gähnendes Loch von etwa ungefähr einem Meter Seitenlänge in der Außenwand des Zielobjekts sein.
Als ich noch dabei war, den Sprengstoff
Weitere Kostenlose Bücher