Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
festzukleben, damit er nicht aus den Schlitzen rutschen konnte, kamen zwei Männer, beide angetrunken und laut lachend, die Treppe herauf. Sie gingen an meiner Tür vorbei und polterten ins Zimmer neben meinem Bad.
Da ich noch eine Sprengladung herstellen musste, machte ich die Klinge des Leathermans wieder heiß, während meine neuen Nachbarn lachten, Witze rissen und den Fernseher laut aufdrehten. Wenigstens übertönte er die Geräusche der drei anderen gegenüber, die längst zu diskutieren aufgehört hatten und sich auf andere Weise vergnügten.
Ich brauchte eine halbe Stunde, um die zweite Ladung herzustellen - begleitet von einer amerikanischen Komödie, natürlich synchronisiert. Auf Russisch gefielen mir die Witze besser.
Um die Ladungen leichter transportieren zu können, legte ich die Rahmen so aneinander, dass die Zündschnüre zwischen ihnen gesichert waren. Zusammengehalten wurde das Ganze durch eines der Abschleppseile, unter das ich zwei der hinter den Läden gefundenen drei Palettenstücke schob. Unter das Seil steckte ich auch die Rolle mit der restlichen Zündschnur, deren Ende ich mehrmals durch die Rahmen führte und dann verknotete. Das Ganze sah aus wie ein miserabel gepackter Pfadfinderrucksack, aber so hatte ich alles beisammen, was ich am Zielort brauchen würde.
Jetzt waren nur noch ein paar Kleinigkeiten zu erledigen, bevor ich von hier verschwinden konnte. Ich nahm mir die restlichen blauen Abschleppseile vor, knotete sie zu einem fast 30 Meter langen Seil zusammen und fügte zusätzliche Knoten ein, deren Abstand ungefähr einen Meter betrug. Ein Seilende verknotete ich mit dem Abschleppseil, das die Rahmen mit den Sprengladungen zusammenhielt.
Als Nächstes griff ich nach dem dritten Palettenstück. Es war wieder Zeit für einen MI9-Trick, als ich ungefähr zehn Zentimeter von einem Rand entfernt eine tiefe Rundumkerbe ins Holz schnitt und darin das freie Ende des Seils verknotete, das an den Sprengladungen hing. Dann legte ich den Ziegelstein quer ans andere Ende der Palette, umwickelte Holz und Ziegel mit dem Handtuch und sicherte beides mit einigen Metern Isolierband. Damit war ich mit meinen Vorbereitungen fertig.
Der König der Löwen zeigte 3.28 Uhr an - theoretisch zu früh, um schon loszufahren, aber ich hatte keine Ahnung, wer sonst noch wusste, dass Zimmermann und der Alte mir einen Besuch hatten abstatten wollen. Das Trio gegenüber begann wieder zu streiten - diesmal vermutlich um Geld -, als ich die mit einer Nylondecke umhüllten Sprengladungen zum Auto hinuntertrug.
Sonnabend, 18. Dezember 1999
39
Als es nachmittags schon stockfinster war, fuhr ich auf der Fernstraße nach Westen in Richtung Tallinn, bog links nach Pussi ab, überquerte wieder die Bahnstrecke und kam auf der Weiterfahrt zum Zielort an den traurigen Holzhäusern vorbei, in denen Menschen sich für den Winter verkrochen hatten.
In den zwölf Stunden, seit ich das Hotel verlassen hatte, war ich ohne bestimmtes Ziel unterwegs gewesen und hatte nur ein paar Mal gehalten, um zu tanken. Mir war alles egal, solange die Heizung lief.
Beim Verlassen des Hotels hatte ich der Alten das Zimmer für zwei weitere Nächte bezahlt, sodass sie mit etwas Glück keinen Anlass haben würde, hinaufzugehen und es zu kontrollieren.
Entlang der Fernstraße standen wie Miniaturtankstellen in größeren Abständen kleine Buden, aus deren Lüftungsschlitzen Dampf quoll, der sie wie Feldküchen in einem Flüchtlingslager aussehen ließ. Als ich an einer hielt, um Kaffee und Gebäck zu kaufen, war es sogar nützlich, mit verquollenem Gesicht und geschwollenen Lippen wie das Opfer einer Schlägerei auszusehen, weil ich so nur etwas zu murmeln brauchte und auf die Sachen zeigen konnte, die ich wollte. Probleme gab es, als ich zu essen und zu trinken versuchte; mein Zahn tat höllisch weh, und in diesen
Buden gab es keine Schmerztabletten. Meine letzten vier Aspirin hatte ich schon vor Stunden geschluckt.
Zimmermanns Pistole steckte in meinem Hosenbund, der Kaliber 38 Special lag im Handschuhfach. Reservemunition hatte ich für keine der Waffen.
Als ich jetzt langsam die vereiste einspurige Straße entlangrollte, tauchte der Betonwall, der das Zielobjekt umgab, im Scheinwerferlicht links von mir auf. Nichts schien sich verändert zu haben: Ich sah weder Licht noch eine Bewegung, und das hohe Tor war weiterhin geschlossen. Ich parkte den Lada in derselben Einfahrt wie beim ersten Mal, stellte den Motor ab, blieb noch eine
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