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Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren

Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren

Titel: Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy McNab
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ich wusste, bevor ich sie las, dass ich abserviert werden würde.
    Caroline hatte angefangen, ab und zu hier vorbeizukommen, um den Briefkasten zu leeren und nachzusehen, ob die Wände noch standen, während ich als Reisevertreter unterwegs war. Sie war Mitte dreißig und wohnte im Dorf. Ihr Ehemann lebte nicht mehr mit ihr zusammen - offenbar trank er sein Sodawasser mit zu viel Whisky. Wir verstanden uns großartig; Caroline war liebenswürdig und attraktiv, und wenn ich hier war, trafen wir uns gelegentlich nachmittags. Aber seit einigen Monaten drängte sie auf eine engere Bindung, als ich ihr zugestehen wollte.
    Ich riss den Umschlag auf. Ich hatte richtig vermutet: keine weiteren Besuche oder Briefkastenleerungen mehr. Echt schade; ich mochte sie wirklich gern, aber vielleicht war’s besser so. Die Sache war ziemlich kompliziert geworden. Ein Bauchschuss, ein neu angesetztes Ohrläppchen und Hundebissnarben am Unterarm lassen sich bei Reisevertretern unabhängig von ihrer Branche nur schwer erklären.
    Nachdem ich mir einen Kaffee mit klumpiger Trockenmilch gemacht hatte, ging ich nach oben zu Kellys Zimmer. Dass ich zögerte, bevor ich die Tür öffnete, lag nicht nur an dem beschädigten Dach. Dort drinnen gab es Dinge, die ich für sie getan hatte - weniger, als ich mir gewünscht hätte, aber doch so viele, dass sie mich daran erinnerten, wie unser Leben hätte aussehen sollen.
    Ich drückte die Klinke herab. In meiner Abwesenheit musste es mehr gestürmt als geregnet haben, denn der Fleck an der Zimmerdecke war nicht feucht. Das blaue Zweimannzelt in der Zimmermitte stand noch. Ich hatte statt Zeltheringen Nägel verwendet, die jetzt rostig waren; trotzdem brachte ich es nicht über mich, das Zelt abzubauen.
    Auf dem Kaminsims standen zwei Fotos in billigen Holzrahmen, die ich ihr beim nächsten Besuch mitzubringen versprochen hatte. Das eine zeigte sie mit ihren Eltern und ihrer Schwester - Kevin, Marsha und Aida -, alle lächelnd um einen Gartengrill versammelt. Es war ungefähr einen Monat vor dem Tag aufgenommen, an dem ich die drei im Frühjahr 1997 in ihrem Haus ermordet aufgefunden hatte. Natürlich wollte Kelly dieses Foto; es war das einzig gute, das sie hatte.
    Die andere Aufnahme zeigte Josh und seine Kinder. Sie war ziemlich neu, denn Josh trug eine Narbe im Gesicht, auf die jeder Neonazi stolz gewesen wäre. Er stand mit seinen Kids vor dem Gebäude der Special Operations Training Section des amerikanischen Secret Service in Laurel, Maryland. Die dunkelrosa Schussnarbe zog sich wie ein schiefes Clownslächeln vom rechten Mundwinkel bis zum Ohr hinauf. Ich hatte keinen Kontakt mehr zu ihm. seit er im Juni 1998 durch meine Dummheit diesen neuen Gesichtsausdruck bekommen
    hatte.
    Josh und ich verwalteten noch immer, was von Kellys Erbschaft übrig war, obwohl ich als ihr gesetzlicher Vormund allmählich einen immer größeren Teil der finanziellen Lasten zu tragen hatte. Josh wusste von Kellys Problemen, aber wir verkehrten nur noch brieflich miteinander. Er war mein letzter wirklicher Freund, und ich hoffte, dass er mir eines Tages verzeihen würde, dass er und die Kids durch meine Schuld beinahe umgekommen wären. Für eine Entschuldigung war es noch zu früh - zumindest redete ich mir das ein. Aber ich war mehr als einmal nachts aufgewacht und hatte den wahren Grund dafür erkannt: Ich konnte den ganzen Kummer-und-Sorgen-Scheiß nicht auch noch ertragen. Ich hätte es gern getan, aber ich war einfach nicht der Typ dafür.
    Als ich nach Kellys Fotos griff, wurde mir klar, warum ich selbst keine aufhob: Sie brachten einen nur dazu, über die darauf abgebildeten Leute nachzudenken.
    Ich schob all diese Gedanken beiseite, indem ich mir vornahm, die Verbindung zu Josh gleich zu Jahresbeginn neu zu knüpfen.
    Ich ging ins Bad gegenüber und ließ die dottergelbe Wanne voll laufen, um das heiße Wasser im Boiler zu nutzen. Ich hatte eine kleine Schwäche für die vor Alter leicht vergilbten Styroporkacheln, mit denen die Decke verkleidet war. Ich wusste noch gut, wie mein Stiefvater welche angebracht hatte, als ich ungefähr zehn gewesen war. »Die halten die Wärme im Raum«, hatte er gesagt. Dann war seine Hand ausgerutscht und hatte mit dem
    Daumen eine Delle hinterlassen. Wenn ich am Samstagabend badete, warf ich die Seife an die Decke, um weitere Dellen zu erzeugen.
    In meinem Zimmer legte ich Kellys Fotos auf die Matratze, damit ich sie ganz bestimmt nicht vergaß. Ich trank meinen Kaffee aus,

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