Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
Haus am See zu treffen - nur war die Plane über dem Loch im Dach davongeflogen, und das Schild Zu verkaufen hatte der Sturm flachgelegt. Aber um das alles konnte ich mich heute nicht kümmern. In ein paar Stunden hatte ich in London drei sehr wichtige Termine, die ich nicht verschieben konnte, um auf den Heizungsmonteur zu warten.
Die Rückreise nach England hatte drei Tage gedauert. Ich hatte beschlossen, eine eigene Route zu finden, statt Vals Rat anzunehmen und über Estland auszureisen. Da wir keineswegs alte Freunde waren, dachte ich nicht daran, mich auf ihn zu verlassen. Ich fuhr nach Kristiansund in Südnorwegen und von dort aus mit der Fähre nach Newcastle. Die Fähre war voller norwegischer Studenten. Während sie sich voll laufen ließen, sah ich mir Sky News auf flimmernden Bildschirmen an. Im Rahmen einer Reportage wurde das Intercontinental gezeigt, in dem die Polizei auf Spurensuche war; dann kamen Bilder von den Toten, darunter auch Sergej. Auf einer Pressekonferenz erklärte eine Sprecherin der finnischen Regierung, bisher stehe keineswegs fest, dass die Schießerei mit der Russenmafia zusammenhänge, und unterstrich, ein Zusammenhang mit dem EU-Gipfeltreffen oder eine Gefährdung der
Teilnehmer könne ausgeschlossen werden.
Ich stieg die nackte Holztreppe hinunter und achtete darauf, dass mein Schlafsack sich nicht in der Harke verfing, mit der ich den Teppichboden herausgerissen hatte.
Mein Haus war ein Heimwerker-Katastrophengebiet. Das war es, seit ich es 1997 gekauft hatte, nachdem ich Kelly aus den USA nach England mitgebracht hatte. Theoretisch war es idyllisch, in diesem Nest an der Küste von Norfolk zu leben. Hier gab es einen kleinen Coop, und der winzige Hafen wurde von drei Fischerbooten benutzt. Der Höhepunkt des Tages war, wenn die hiesigen Rentner mit dem kostenlosen Bus in den acht Meilen entfernten Superstore fuhren, um ihre Großeinkäufe zu machen.
Der Immobilienmakler musste sich die Hände gerieben haben, als er mich kommen sah. Das nur 200 Meter von dem windigen Strand frei stehende Vierzimmerhaus mit Rauputz aus den dreißiger Jahren stand seit einigen Jahren leer, nachdem die letzten Besitzer gestorben waren - vermutlich an Unterkühlung. In der Beschreibung hieß es: »Einige Renovierungsarbeiten erforderlich, aber großartiges Potenzial.« Mit anderen Worten: Man musste verdammt viel Arbeit
hineinstecken. Ich wollte das Haus entkernen und neu ausbauen. Das Herausreißen war in Ordnung; es hatte mir sogar Spaß gemacht. Aber nachdem ein kleiner Bauunternehmer nach dem anderen die Luft durch die Zähne eingesogen hatte, während er mir seinen Kostenvoranschlag machte, so dass ich schließlich beschlossen hatte, die Bude in Eigenarbeit zu renovieren, hatte ich das Interesse daran verloren. Deshalb bestand das Haus jetzt aus nackten Böden und unverputzten Wänden, aus denen Elektrokabel ragten, deren Zweck ich nicht verstand.
Da ich jetzt für Kelly verantwortlich war, hatte ich geglaubt, dies sei der richtige Zeitpunkt, mir den Traum vom eigenen Heim zu erfüllen. Aber der Kaufvertrag war kaum unterzeichnet, als ich mich bereits eingeengt fühlte.
Gestern Abend hatte ich gleich nach meiner Rückkehr das Haus in Hampstead angerufen, in dem Kelly gegenwärtig untergebracht war. Die Nachtschwester hatte mir gesagt, ihr Zustand, habe sich seit meinem letzten Besuch nicht merklich verändert. Ich war froh, dass sie schon schlief; das bedeutete, dass ich nicht mit ihr sprechen musste. Das hätte ich gern getan, aber ich wusste bloß immer nicht, was ich sagen sollte. Ich hatte Kelly am Tag vor meiner Abreise nach Finnland besucht. Sie hatte halbwegs normal gewirkt, hatte nicht geweint oder sonst was; sie war nur schweigsam und seltsam teilnahmslos gewesen.
Die Küche war in ebenso schlechtem Zustand wie der Rest des Hauses. Ich hatte die alten gelben Resopalmöbel aus den früher sechziger Jahren behalten. Sie genügten mir vorläufig. Ich stellte Kaffeewasser auf, zog den Schlafsack enger um meine Schulter und trat in den Vorbau, um nach der Post zu sehen. Sie hatte wieder Erwarten nicht auf der Arbeitsplatte in der Küche gestapelt gelegen. Und ich fragte mich auch, weshalb die Dachplane in meiner Abwesenheit nicht ersetzt worden
war.
Ich hatte noch keinen Briefkasten, aber ein blauer Treteimer er füllte den gleichen Zweck. Sehr finnisch, fand ich. Er enthielt viele Umschläge - drei Rechnungen und eine Briefkarte. Die Schrift verriet, von wem die Karte kam, und
Weitere Kostenlose Bücher