Nick Stone - 04 - Eingekreist
stehen, um auf den Kompass zu sehen. Im Augenblick kam es nur darauf an, die Straße zu erreichen und rechtzeitig zu dem Treff mit Aaron zu kommen. Schon nach wenigen Minuten stieß ich auf den Zaun. Das Schrillen der Buckelzirpen schwoll zu einem Crescendo an. In einer Viertelstunde würde es stockfinster sein.
Auf der im letzten Licht vor mir liegenden freien Fläche ging ein Platzregen mit solcher Gewalt nieder, dass er im Schlamm winzige Kratzer erzeugte. Drüben in Charlies Landhaus brannte schon Licht, und durch ein bis in den ersten Stock hinaufreichendes Fenster war ein riesiger Kronleuchter zu sehen. Auch der Brunnen war angestrahlt, aber ich konnte die Statue nicht erkennen. Das war gut, denn es bedeutete, dass auch mich niemand sehen konnte.
Ich folgte dem Zaun einige Minuten lang, wobei Kopf und Poncho des Kerls auf meinem Rücken sich ständig in Wart-ein-Weilchen verfingen, sodass ich anhalten und etwas zurückgehen musste, um ihn zu befreien. Dabei behielt ich ständig das Haus im Auge. Ich stieß auf einen schmalen Trampelpfad, der einen halben Meter vor dem Waldrand parallel zum Zaun verlief und ein Wildwechsel zu sein schien, und folgte ihm. Dass ich in dem aufgewühlten Schlamm Spuren hinterließ, war mir jetzt egal. Der Regen würde sie bald verwischen.
Ich hatte noch kein Dutzend Schritte gemacht, als mein hinkendes rechtes Bein mir blitzschnell unter dem Leib weggezogen wurde, sodass wir beide ins Unterholz krachten.
Ich schlug wild um mich, während ich das Gefühl hatte, eine unsichtbare Hand habe mich am Knöchel gepackt und zur Seite geschleudert. Ich versuchte, um mich zu treten, aber mein rechter Fuß saß fest. Ich versuchte wegzukriechen, aber auch das konnte ich nicht. Mein unfreiwilliger Begleiter, der neben mir zu Boden gegangen war, stöhnte vor Schmerzen laut auf.
Als ich nach unten sah, erkannte ich etwas schwach metallisch Glänzendes. Es war ein Draht: Ich war in die Schlinge eines Wilderers geraten, und je mehr ich strampelte, desto fester zog sie sich zu.
Ich hob den Kopf, um zu sehen, was der Kerl machte. Er lag in seiner eigenen kleinen Welt zusammengerollt da, ohne die über den Nachthimmel zuckenden Blitze und das ständige Donnergrollen um uns herum wahrzunehmen.
Es war eine Kleinigkeit, die Schlinge so weit zu öffnen, dass ich meinen Fuß herausziehen konnte. Ich rappelte mich auf, ging zu dem Kerl hinüber, hievte ihn mir auf den Rücken und setzte mich wieder in Bewegung.
Nachdem ich ungefähr fünf Minuten lang weitergestolpert war, erreichten wir die Stelle, wo die weiß gestrichene Mauer begann, und nach weiteren zehn
Metern das hohe eiserne Gittertor. Es war gut, Asphalt unter den Füßen zu haben. Ich wandte mich nach links und marschierte los, so schnell ich nur konnte, um von hier wegzukommen. Kam ein Fahrzeug die Straße entlang, würde ich mit einem Satz im Unterholz verschwinden.
Als ich unter dem Gewicht des Mannes über meiner Schulter gebeugt weiterschlurfte, machten sich die Schmerzen in meiner rechten Wade immer mehr bemerkbar. Der Regen spritzte mindestens fünfzehn Zentimeter vom Asphalt hoch und verursachte dabei schrecklichen Lärm. Ich merkte, dass ich ein hinter uns herankommendes Fahrzeug auf keinen Fall rechtzeitig hören würde; deshalb musste ich immer wieder stehen bleiben und mich umsehen. Hinter mir zuckten Blitze, denen rollender Donner folgte, und ich stolperte weiter, als versuchte ich vor ihnen wegzulaufen.
Es dauerte über eine Stunde, aber schließlich konnte ich meine Last am Rand der Ringstraße im Schutz des Dschungels absetzen. Der Regen war schwächer geworden, nicht jedoch die Schmerzen des Schwerverletzten — und auch meine Schmerzen nicht. Im Dschungel war es jetzt so finster, dass ich meine Hand nicht vor den Augen sehen konnte, nur die kleinen Lichtpunkte auf dem Waldboden, die vielleicht phosphoreszierende Sporen oder winzige Nachttiere auf Beutesuche waren.
Ich saß mindestens eine Stunde da, rieb vorsichtig mein schmerzendes Bein, wartete auf Aaron und horchte auf das Wimmern des Schwerverletzten und das
Rascheln seiner Beine im Laub auf dem Waldboden. Sein Stöhnen wurde immer leiser und verstummte schließlich ganz. Ich kroch auf allen vieren zu ihm hinüber und ertastete seinen Körper. Als ich mich bis zu seinem Gesicht vorgearbeitet hatte, konnte ich nur noch einen schwach keuchenden Atemhauch hören, der Mühe hatte, aus seinem mit Schleim angefüllten Rachenraum zu dringen. Ich zog den Leatherman,
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