Nick Stone - 04 - Eingekreist
sich der Türgriff befand, und vergewisserte mich, dass der Sicherungsknopf hochgezogen war. Trotz meiner Lethargie würde ich mit einem Satz aus dem Wagen springen und wegrennen, sobald ich das Quietschen der rostigen Heckklappenscharniere hörte. Als ich Aaron meinen Pass zur Weitergabe an den Sergeanten hinhielt, wurde mir klar, dass ich auf diese ganze Situation viel zu langsam reagierte.
Hinten drin hegt eine Leiche, verdammt noch mal!
Der Sergeant stellte in scharfem Ton einige Fragen, während er meinen Reisepass mit seiner Maglite studierte. Von Aarons Antworten verstand ich nur einzelne Wörter: »Británico ... amigo ... vacaciones ...« Er nickte dabei wie ein Irrer, als leide er an irgendeiner Nervenkrankheit.
Der Sergeant hielt jetzt beide Ausweise in der Hand, was ein Problem darstellte, falls ich abhauen musste. Ohne Reisepass konnte ich nur nach Westen oder in unsere Botschaft flüchten.
Ich horchte angestrengt nach hinten und wartete darauf, dass die Heckklappe sich öffnen würde. Ich fuhr mir mit einer Hand durchs Haar, behielt dabei den Türgriff im Auge und stellte mir meine Fluchtroute vor, was nicht gerade schwierig war: drei Schritte nach rechts in die Dunkelheit. Danach würde ich auf mein Glück vertrauen müssen.
Ich wurde in die Wirklichkeit zurückgeholt, als der Sergeant sich wieder zum Fahrerfenster hinunterbeugte und auf meine Kleidung zeigte, während er eine Frage stellte. Aaron antwortete mit einer scherzhaften Bemerkung und rang sich ein Lachen ab, als er sich an mich wandte. »Sie sind mein Freund, den ich vom Flughafen abgeholt habe. Sie wollten unbedingt den Regenwald sehen, deshalb habe ich ihn Ihnen außerhalb der Stadt gezeigt. Jetzt haben Sie die Nase voll davon. Das war lustig, also lachen Sie bitte.«
Der Sergeant stimmte in unser Lachen ein und erzählte dem Kerl hinter sich von dem dämlichen britanico, während er unsere Ausweise zurückgab. Dann schlug er mit der flachen Hand aufs Dach des Mazda und folgte seinen Leuten zu den Wagen, die vor uns die Straße blockierten. Dort wurde viel gestikuliert und herumgebrüllt, dann heulten die Motoren der Geländewagen auf, als die Fahrzeuge zurückstießen, um die Straße frei zu machen.
Aaron zitterte wie Espenlaub, als er den Motor anließ, aber er schaffte es, für die Polizeibeamten von den Schultern aufwärts cool und entspannt zu wirken. Er winkte ihnen im Vorbeifahren sogar zu. Unsere Scheinwerfer erfassten vier oder fünf Leichen, die am Straßenrand aufgereiht lagen. Ihre Kleidung war mit Blut getränkt. Einer der Jugendlichen, fast noch ein Kind, lag mit offenem Mund und seitlich ausgestreckten Armen auf dem Rücken und starrte mit großen Augen blicklos in den Nachthimmel. Ich sah weg und versuchte, mich auf die Dunkelheit jenseits unserer Scheinwerfer zu konzentrieren.
Aaron sagte ungefähr zehn Minuten lang nichts, während wir mit wild tanzenden Scheinwerfern über die mit Schlaglöchern übersäte Straße holperten. Dann bremste er plötzlich, stellte den Wahlhebel auf P und sprang aus dem Wagen, als habe er unter seinem Sitz eine Bombe entdeckt. Ich konnte hören, wie er laut keuchend würgte, aber er brachte nichts mehr heraus. Er hatte schon alles in Clayton gelassen.
Ich mischte mich nicht ein. Als Anfänger hatte ich ähnlich reagiert: Schieres Entsetzen überwältigt einen fast, und man kann nur dagegen ankämpfen, bis das Drama vorüber ist. Und wenn man später Zeit zum Nachdenken hat — nicht nur darüber, was passiert ist, sondern vor allem auch darüber, was schlimmstenfalls hätte schief gehen können —, dann gibt man seine letzte Mahlzeit wieder von sich. Seine Reaktion war ganz normal. Nur meine war vorhin nicht normal gewesen, nicht für mich.
Die Federung knarrte, als er die Fahrertür schloss und sich seine wässrigen Augen rieb. Er war sichtlich verlegen und konnte mich nicht ansehen. »Tut mir Leid, Nick, Sie halten mich bestimmt für einen Schlappschwanz. Leute wie Sie können mit solchen Dingen umgehen, aber ich . ich bin einfach nicht dafür geeignet.«
Ich wusste, dass das eine falsche Einschätzung war, aber ich fand nicht die richtigen Worte, um ihn aufzurichten. Die fehlten mir in solchen Situationen immer.
»Vor ein paar Jahren habe ich gesehen, wie ein paar Kerle umgelegt wurden. Davon hatte ich Albträume. Und als ich dann Diegos Leiche und diese armen, in Stücke gehackten Leute am Straßenrand gesehen habe, konnte ich einfach .«
»Hat er Ihnen erzählt, was
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