Nick Stone - 05 - Tödlicher Einsatz
später das
Wachhäuschen überfallen, deshalb … scheiß drauf, es spielte keine Rolle. Das freie Gelände bis zum Zaun ließ sich ohnehin nicht anders überqueren.
Dann kam der Punkt, an dem wir vornübergebeugt,
weil wir uns instinktiv klein zu machen versuchten, ins volle Licht der Scheinwerfer auf den vier hohen
Stahlmasten an den Ecken des Tanklagers gerieten. Das Licht hatte Unmengen von Nachtinsekten angelockt, die es summend umschwärmten.
Ich konnte bei jedem Schritt das Rascheln meiner
nassen Hosenbeine hören und atmete durch den Mund, um möglichst wenig Atemgeräusche zu machen. Sie
konnten uns nicht verraten, aber ich fühlte mich einfach wohler, wenn ich alles tat, um überflüssige Geräusche zu vermeiden und diesem Job zum Erfolg zu verhelfen. Die einzigen weiteren Geräusche waren das Knirschen
meiner Laufschuhe auf dem felsigen Untergrund, das rhythmische Rascheln meines Nylonrucksacks und das Schrillen der unsichtbaren Zikaden. Weil ich durch den Schemag atmete, wurde mein Gesicht bald feucht und kalt.
Wir erreichten den Zaun hinter dem Wachhäuschen.
Zu uns führte kein Fenster hinaus, sondern wir hatten in kaum einem Meter Entfernung nur eine von der Sonne ausgebleichte Bretterwand vor uns.
Drinnen konnte ich jemanden hören, der mürrisch auf Französisch rief: »Oui, oui, d’accord.« Gleichzeitig drang im Hintergrund ein Schwall von eintönigem
Arabisch aus einem Fernseher.
Lofti hielt den roten Samt über den unteren Teil des Maschendrahtzauns, und Hubba-Hubba machte sich mit dem Bolzenschneider an die Arbeit. Er zerschnitt den Draht durch den Stoff und bewegte sich dabei senkrecht nach oben. Lofti zog den Samt stetig höher, und die beiden Männer arbeiteten wie Roboter, scheinbar ohne sich die geringste Sorge um ihre Umgebung zu machen.
Das war meine Aufgabe: Ich musste nach allen Seiten beobachten und für den Fall, dass der Wachmann auf das gedämpfte Ping! des durchgezwickten Maschendrahts aufmerksam wurde, auf die Geräusche aus dem Häuschen achten.
Die Telefonleitung schlängelte sich von einem der Betonmasten, die der Straße nach rechts und links folgten und an Lakritzstangen erinnerten, aufs Gelände. An dem Mast hing ein Warnschild, das auf Arabisch und
Französisch vor einer scharfen Kurve warnte. Ich wusste, dass ich rechts nach ungefähr zehn Kilometern nach Oran gekommen wäre, während die Straße links an Cap Ferrat vorbeiführte und irgendwann die rund vierhundert
Kilometer östlich liegende Hauptstadt erreichte.
Während die einseitige Unterhaltung im
Wachhäuschen weiterging, beendeten Hubba-Hubba und Lofti ihren senkrechten Schnitt und zogen die
Schnittkanten langsam seitlich heraus, sodass eine dreieckige Öffnung entstand. Ich zwängte mich
vorsichtig hindurch, damit mein Rucksack sich nirgends verhakte. Dann zog ich Loftis Zaunseite zurück, damit er hindurchschlüpfen konnte, und er hielt die andere Seite fest, während Hubba-Hubba den Bolzenschneider
einpackte. Als auch er hindurch war, schlossen wir die Lücke im Zaun wieder so gut wie möglich.
Wir legten unsere Rücksäcke hinter dem
Wachhäuschen ab, in dem der alte Kerl noch immer auf Französisch telefonierte, während im Hintergrund sein Fernseher lief.
Mir ging durch den Kopf, dass ich keine Ahnung hatte, was in der vergangenen Woche in Afghanistan geschehen war. Gingen die US-Bombenangriffe weiter? Wurden
Bodentruppen eingesetzt, um die Taliban aus ihren Höhlen zu vertreiben? Da ich mich in der
Bergwerkssiedlung ganz auf unseren Job konzentriert und dann auf einem U-Boot festgesessen hatte, wusste ich nicht einmal, ob OBL tot oder lebendig war.
Wir nutzten die Helligkeit, um gegenseitig den Sitz unserer Schemags zu kontrollieren.
Jeder überprüfte nochmals, dass seine Pistole
durchgeladen und gesichert war. Die beiden wurden allmählich so paranoid wie ich – sie fürchteten, sie könnten eines Tages abdrücken und nur ein
Totmannklicken hören, weil der Schlitten wegen des nicht richtig eingerasteten Magazins die Patrone nicht mitgenommen hatte.
Lofti stand gebückt da und wippte auf den Fußballen vor und zurück. Er wollte rasch weitermachen und hasste es, hier warten zu müssen. Hubba-Hubba sah aus, als kauere er in den Startlöchern, und wollte unbewusst auf seinem Daumennagel herumbeißen, was der Schemag jedoch verhinderte. Wir konnten nur warten, bis der alte Kerl zu telefonieren aufhörte; wir durften nicht mitten in sein Telefongespräch hineinplatzen. Ich
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