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Nick Stone 06 - Feind ohne Namen

Nick Stone 06 - Feind ohne Namen

Titel: Nick Stone 06 - Feind ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy McNab
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bevor sie ihr Unternehmen durchführen konnten, muss ich die Sache nun selbst in die Hand nehmen. Das war keine schwierige Entscheidung. Sehen Sie, ich hätte sie warnen können, und dann wäre ihnen natürlich die Flucht geglückt. Aber was wäre dann passiert? Welche Maßnahmen wären ergriffen worden? Wäre der U-Bahn-Verkehr eingestellt, der Alarmzustand verschärft worden? Nein, sobald Sie ihren Aufenthaltsort entdeckt hatten, mussten sie sterben. Ich habe mir nur eine ihrer Taschen geholt, bevor Sie dort eingedrungen sind. Meine Freunde waren ahnungslos, aber nun sind sie im Paradies und verstehen, weshalb sie dieses Opfer bringen mussten. Gott versteht, was ich getan habe, um den Kampf fortzusetzen, und dass meine Familie von euch Leuten getötet werden
    wird.«
    Sein rechter Zeigefinger streckte sich und deutete auf mich. Sein Blick war starr auf mich gerichtet. Seine Stimme war leise und eindringlich geworden. »Deshalb werden wir zuletzt siegen, und ihr Leute werdet verlieren. Sie selbst interessiert nur die Gegenwart; Sie wollen leben, Sie wollen vor allem, dass Ihr Kind lebt, und das macht Sie verwundbar. Das liegt daran, dass Sie nicht verstehen, was jenseits dieser Welt liegt.«
    Er hatte Recht, was das Leben betraf, aber er irrte sich, wenn er glaubte, seine Seite werde siegen.
    Der Informant erhob sich. »Ich will Sie nicht länger aufhalten.«
    Er wandte sich ab und ging ohne ein weiteres Wort hinaus, während ich erst seinen Rücken und dann den Briefumschlag auf dem Tisch betrachtete.
    Ich zog die Klappe heraus. Der Umschlag enthielt ein Polaroidfoto von Kelly, ein Brustbild in ihrem T-Shirt mit dem Aufdruck Old Navy. Sie war ungekämmt und hatte geschwollene, rot verweinte Augen. Hinter ihr stand ein eingeschalteter Fernseher, in dem BBC News 24 lief. Auf seinem Gehäuse waren alle möglichen religiösen Ziergegenstände aus Glas und Messing aufgereiht.
    Die rechts unten eingeblendete Kalenderuhr zeigte 8:47 und das heutige Datum an. Das gleiche Programm hatte ich mir in dem Augenblick angesehen, in dem diese Aufnahme entstanden war. Ich drehte das Bild um. Auf der Rückseite waren mit schwarzem Filzschreiber seine Handynummer und eine Adresse vermerkt: Bergmannstraße 22, Wohnung 27.

 
50
    Ich saß weiter mit meinem Kaffee da, während die Jungs das große Wort führten und die Mädchen alberten und kicherten. In meinem Kopf drehte sich alles. Woher hatte er gewusst, wo Kelly zu finden war? Blau und Grau mussten uns zu der sicheren Wohnung zurückverfolgt und mich bei meinem Treffen mit Jimmy und Carmen beschattet haben, bevor sie den dreien zum Bungalow gefolgt waren.
    Es hatte keinen Zweck, in Aktionismus zu verfallen oder auszurasten. In solchen Situationen sollte man sich als Erstes eingestehen, dass man in der Scheiße sitzt. Am besten hält man inne, atmet tief durch, ordnet seine Gedanken so gut wie möglich und überlegt dann, was zu tun ist. In Panik zu geraten, würde mir nicht helfen, dieses Dilemma zu lösen, und folglich auch ihr nichts nützen. Ich trank einen kleinen Schluck Kaffee und zwang mich dazu, in aller Ruhe nachzudenken.
    Musste ich weiterhin ohne Unterstützung durch den Jasager auskommen, obwohl jetzt festzustehen schien, dass er mit den Morden im Bungalow und der Entführung Kellys nichts zu tun gehabt hatte? Meine Nervosität von vorhin war verschwunden. Dafür reichte meine Energie nicht mehr aus; mein Kopf schien alles zu beanspruchen, was ich an Kraft aufbringen konnte.
    Scheiße, ich würde nicht mehr darüber nachdenken, ob der Jasager mir helfen konnte. Natürlich hätte er das gekonnt, aber ich würde ihn nicht fragen und einen Konflikt riskieren, bei dem er Kelly eiskalt opferte, um an Dark Winter und den Informanten heranzukommen.
    Ich musste mich darauf konzentrieren, was als Nächstes zu tun war, aber das wollte mir einfach nicht gelingen. Ich sah wieder das Polaroidfoto an. Nicht zu wissen, was mit ihr geschah, war am allerschlimmsten. Ich dachte daran, dass sie bestimmt verängstigt, hungrig und durstig war - vielleicht war sie nach dieser Aufnahme gefesselt und in irgendein dunkles Verlies geworfen worden. Ich spürte wieder den pochenden, stechenden Schmerz in der Brustmitte. Während die Teenager am Nebentisch eifrig darüber diskutierten, wohin sie heute Abend ausgehen würden, fuhr ich mit der Daumenspitze über ihr ängstliches Gesicht.
    Als ich noch einen Schluck trinken wollte, stellte ich fest, dass meine Tasse leer war. Ich legte das Foto weg

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