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Nicodemus

Nicodemus

Titel: Nicodemus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Charlton
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wieder die Wunde an seiner Wange.
    »Flammendes Höllenblut«, fluchte er lautstark, die Schmerzen befeuerten sein Gefühl ohnmächtiger Wut nur noch. »Und ich sollte einmal der Halkyon sein! Entschlossen und selbstsicher. Nun fürchte ich mich davor, überhaupt irgendetwas zu unternehmen!«
    Er setzte sich ans Feuer und streckte die Hände nach den wärmenden Kohlen aus.
    Es musste ein Fluch auf ihm lasten. So hätte er niemals werden sollen. Der Verfasser des Golems musste ihm seine Kräfte und seine Gabe zum richtigen Schreiben geraubt haben.
    Wenn das wirklich zutraf, dann könnte er diese Gabe wiedererlangen und könnte die Kakographie endlich für immer hinter sich lassen.
    Nicodemus konzentrierte sich mit aller Macht darauf. All seine Ängste und Unsicherheiten ließ er in diesen Gedanken fließen. Und der Wunsch brannte in seinem Herzen. Er würde nicht länger wie ein verängstigter Pennäler im Zimmer umhergehen. Das Ungeheuer hatte ihm einen Teil seines Geistes geraubt. Hass flammte in ihm auf. Er würde sich den fehlenden Teil seiner selbst schon zurückholen!
    Er erhob sich und entschied, die männlichen Kakographen zum Compluvium zu führen; dann würde er weitersehen. Vielleicht würde er versuchen, Shannon zu befreien. Vielleicht zu einem Gegenschlag gegen den Golem ausholen.
    Wieder kehrte er in Gedanken zu seinem jüngsten Albtraum zurück. »Wenn du nicht sofort aus Starhaven fliehst, wird das weiße Ungeheuer dich finden«, hatte April gesagt. »Flieh mit allem, was du hast!«
    In gewisser Hinsicht floh er ja aus dem eigentlichen Starhaven ins Compluvium. Aber was sollte er mitnehmen? Er ließ die Augen über seine Pritsche, seine Gewänder, seine Bücher und Stapel von Rechtschreibübungengleiten. Womit könnte er die Jungen beschützen oder dem Golem schaden? Dann fiel sein Blick auf die leuchtenden Numinusparagraphen der offenen Schriftrolle.
    Da begriff er, dass er die Jungen nicht zum Compluvium führen konnte.
    Noch nicht.
    Mit einem Mal war ihm die Bedeutung von Shannons Worten klar. Der Alte war letztlich doch Linguist, und Linguisten befassten sich mit allen Aspekten der Sprache … selbst mit den metaphorischen.
    Hundefutter .
     
    Aus dem Speicherturm zu gelangen, erwies sich als denkbar einfach. Mit Shannons Schlüssel entzauberte er das Wehr an der Tür, und Wächter waren natürlich keine mehr da.
    Nicodemus befürchtete, auf einem der Gänge aufgehalten zu werden, doch die Festung war so gut wie ausgestorben. Hin und wieder traf er auf eine Gruppe von Zauberern, die durch die Hallen hasteten, als seien sie mit der Erledigung eines dringenden Auftrags betraut. Merkwürdigerweise wurden sie zumeist von Bibliothekaren angeführt.
    Am Eingang zur Hauptbibliothek griff Nicodemus zu Shannons Pergament und zog die Passwörter hervor. Darauf bedacht, sie nicht zu lange in den Händen zu halten, schleuderte er sie einem der Schutzzauber entgegen.
    Das Geschöpf schnappte die Wörter aus der Luft und stierte ihn an. Wenn einer der Runen verschrieben wäre, würde der Hundezauber ihm die Arme abreißen. Die Sekunden zogen sich dahin, während das Tier auf den Worten herumkaute. Gerade wollte Nicodemus auf dem Absatz kehrt machen und davonrennen, als sich das Geschöpf hündisch verbeugte.
    Angstvoll stahl sich Nicodemus in die Bibliothek. Ohne das Sonnenlicht in den Fenstern war es hier schummrig. Von den Kerzen gingen trübe Lichtkegel aus, die sich flackernd wie eine Sternensäule bis zur Decke erstreckten.
    Nicodemus empfand die Leere der Bibliothek als zermürbend,denn er hatte mindestens ein Dutzend Zauberer erwartet, die bei Kerzenschein arbeiteten. Doch stattdessen konnte er nur eine Handvoll Bibliothekare ausmachen.
    Die Kammer mit dem Index zu finden war nicht weiter schwer. Der Beschützer am Eingang ließ ihn ungehindert passieren, nachdem er ihn mit Shannons zweitem Paragraphen gefüttert hatte.
    Mit zitternden Händen näherte er sich dem Index. In seinem Zimmer war er noch so zuversichtlich gewesen: Er wollte den Index benutzen, um Shannons Nachricht zu entziffern, und das Buch danach ins Compluvium schmuggeln. Dort wollte er dann darin ungestört nach Wegen zu suchen, den Golem zu bezwingen.
    Nicodemus bemerkte, dass sich durch den Türrahmen schwache Numinussätze zogen; vorhin war ihm das gar nicht aufgefallen. Es konnte sich nur um einen Alarmzauber handeln. Nahm er den Index an sich, würde er den Alarm auslösen und eine Horde Wächter käme herbeigeeilt.
    Er beschloss, da

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