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Nicodemus

Nicodemus

Titel: Nicodemus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Charlton
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er den Index schon nicht stehlen konnte, zumindest herauszufinden, warum Shannon ihn hierhergeschickt hatte.
    Mit unsicheren Schritten betrat er die Kammer und starrte auf den schlichten Einband des Index, während von draußen das knirschende Mahlen von den Magnuskugeln der Beschützer hereindrang. Nachdem er das Buch eine Zeitlang im Arm gehalten hatte, öffnete er die Schließen.
    Magister Smallwood hatte ihm erklärt, dass der Index jeden Text innerhalb Starhavens ausfindig machen konnte. Und da auf Einband und Buchrücken von Magister Shannons persönlichem Forschungstagebuch drei Asterisken eingeprägt waren, lautete sein Titel »***«.
    Nicodemus schlug den Index auf, um zu erfahren, was Shannon für ihn in seinem Tagebuch hinterlassen hatte. Wärme stieg ihm in die Wangen, die synästhetische Reaktion seines Körpers auf die Magie des Buches. Obwohl er darauf gefasst war, beunruhigte ihn die Heftigkeit der Reaktion. Konnte etwas schiefgegangen sein? Er versuchte, sich zu bewegen.
    Doch nichts geschah. Seine Muskeln wollten ihm nicht mehr gehorchen.Furcht erfasste ihn, und der nur wenige Stunden zurückliegende Albtraum fiel ihm wieder ein. Träumte er etwa immer noch? Seine Wangen glühten, und nun spürte er die gleiche Wärme auch in seinem Bauch und seinen Lenden. Nur ein gefährlicher und mächtiger Zauber konnte diese zweite synästhetische Reaktion ausgelöst haben, das war Nicodemus klar. Seine Angst wurde zu Panik.
    Jäh schoss violettes Licht aus dem Index hervor und schlang sich in Bändern um seine Hände. Nicodemus wurde von einer plötzlichen Übelkeit gepackt und krümmte sich. Der Index strahlte immer heller, ein glühender Zylinder stieg aus den Seiten – wie gelähmt starrte Nicodemus ihn an. Dann gaben seine Beine nach, und er fiel auf die Knie. Zauberworte sprangen ihm in die Kehle.
    Der Raum verschwamm, in seinen Ohren dröhnte ein eigenartiges Geräusch. Blut rann ihm aus der Nase, tropfte in den Mund. Unwillkürlich drehte Nicodemus den Kopf zur Seite und übergab sich. Ohne sein Zutun legten seine Hände den Index wieder auf das marmorne Pult. Kaum hatte der Buchrücken den kühlen Stein berührt, brach der Bann des Buches, und er sank in tiefe Dunkelheit.
     
    Als er die Augen wieder aufschlug, verspürte er einen dumpfen Schmerz in seinem Kopf, als würde ein Klöppel immer wieder gegen die Wand seines Schädels schlagen. Ihm war schwindelig, und er hatte den essigsauren Geschmack von Erbrochenem auf der Zunge.
    Dennoch war ihm zum Lachen zumute.
    Vor seinen Augen erstrahlten die kühnen Bögen und kräftigen Striche eines neuen Alphabets in sanfter, fremdartiger Schönheit. Wie Numinus war auch dieses mächtige violette Idiom in der Lage, Licht und andere Zaubertexte zu verändern.
    Nicodemus wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, erhob sich schwankend und bemerkte Myriaden lilafarbener Sätze, die in konzentrischen Kreisen um den Index schwebten. Noch mehr erstaunte ihn jedoch, dass ein winziger Strom von Worten aus dem Buch in seine Brust und wieder zurück floss.
    Allmählich begriff er, was das zu bedeuten hatte: Der Index war ein Foliant, ein magisches Artefakt, das seinem Leser eine neue Sprachebeizubringen vermochte. Doch hatte es das auf rätselhafte und erschreckende Weise getan.
    Mit sechzehn hatte Nicodemus unter Zuhilfenahme des Numinus- und des Magnusfolianten die beiden Zaubersprachen erlernt. Das Lernen hatte sich dahingeschleppt, tagelang hatte er Runen, Vokabeln und Grammatik auswendig lernen müssen. Sein Vermögen, die Zaubersprachen zu erkennen, hatte sich nur im Schneckentempo entwickelt. Es war alles andere als aufregend und schon gar nicht traumatisch gewesen. Wohingegen der Index ihm die Sprache buchstäblich eingetrichtert hatte.
    Als er sich verwundert fragte, wie das nur angehen könne, schwoll ihm die Brust, und die Runen flossen vermehrt zurück in den Index. Daraufhin blätterte es von selbst um, bis das Buch bei einer in schwarzer Tinte geschriebenen Seite aufgeschlagen vor ihm lag. Nicodemus bückte sich näher darüber, um den Text besser entziffern zu können:
     
    Auszug aus einer Abhandlung von Geoffrey Lea über verlorene Zauber und Sprachen  
    Der Ätzzauber gilt unter den verloren gegangenen Gotteszaubern gemeinhin als der rätselhafteste. Nur wenig ist über diesen altertümichen Text bekannt, außer, dass er von dem prähumanen Sonnengott Sol geschrieben wurde. Annscheinend gebrauchten die Göttre das Ätzen, um ein Wesen mit einem

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