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Nicodemus

Nicodemus

Titel: Nicodemus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Charlton
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zumindest noch, oder?«
    Stille erfüllte den Raum, dann ließ Amadis Stuhl ein ächzendes Stöhnen vernehmen, als sie sich schwerfällig darauf niederließ.
    Shannon erstarrte.
    »Bitte, fahrt doch fort, Magister«, sagte sie verbittert. »Was habe ich denn missverstanden? Was war denn so harmlos an diesem mörderischen Kakographen?«
    Shannon wandte sich ab und fuhr in kurzen, knappen Worten fort: »Es war ein Unfall. Einer von Berrs fehlgeschlagenen Zaubern hat eine Handvoll Akolythen getötet. Er bekannte sich schuldig und durfte als Bibliotheksgehilfe bleiben. Der Junge wollte nur lernen, und da niemand ihn unterrichten wollte, hat er auf eigene Faust herumexperimentiert. Unglücklicherweise kamen zwei Jahre später bei einem weiteren Schreibfehler mehrere Zauberer ums Leben. Berr floh in die spirische Savanne und starb dort.«
    »Also sind Kakographen gefährlich?«
    »In den letzten dreihundert Jahren seit James Berr hat es keinen so gefährlichen Kakographen mehr gegeben. Ihr Nordländer seid besessen von Schreibfehlern, deshalb vermutet ihr auch in jedem Kakographen eine heimtückische Natter. Eine Besessenheit, die, wie ich hinzufügen darf, von den Prophezeiungsgegnern in solchem Maße vorangetrieben wurde, dass unser gesamter Berufsstand Schaden genommen hat.«
    »Magister, ich weiß, dass Ihr mit den obersten Köpfen der Prophezeiungsgegner aneinandergeraten seid. Aber gebt acht, was Ihr sagt. Euer eigener Provost hat sich wohlwollend über deren Auslegung der Prophezeiung geäußert.«
    Shannon strich sich eine widerspenstige Locke aus dem Gesicht. »Und was ist mit dir, Amadi? Auf wessen Seite stehst du?«
    »Ich bin eine Wächterin«, entgegnete sie heftig. »Wir stehen auf keiner Seite.«
    »Natürlich nicht«, gab Shannon betont kühl zurück.
    »Ich bin nicht hergekommen, um mich von Euch beleidigen zu lassen, Magister. Ich bin hier, um Auskünfte einzuholen.« Sie hielt inne. »Also, sagt mir, gibt es in Starhaven Kakographen mit besonderen Fähigkeiten?«
    Shannon ließ den Atem langsam durch die Nase entweichen und versuchte, sich wieder zu beruhigen. »Ein paar.«
    »Und hat einer der Kakographen gelernt, Zauber in einer der höheren Sprachen zu schreiben?«
    Shannon drehte sich zu ihr um. »Was willst du damit andeuten?«
    »Der Schreibfehler, der Nora Finn getötet hat, war in Numinus verfasst.«
    Der Zaubermeister richtete sich zu voller Größe auf. »Ich werde nicht zulassen, dass du einen meiner Kakographen beschuldigst.«
    »In Astrophell habt Ihr Eure Schüler aber nicht so in Schutz genommen.«
    Er lachte trocken. »Ihr habt meinen Schutz auch nicht gebraucht, Amadi. Bei diesen Schülern hier ist es anders.«
    »Wie dem auch sei, Ihr könnt sie nicht vor einer rechtmäßigen Untersuchung beschützen. Ich frage Euch noch einmal: Beherrscht einer Eurer Kakographen eine der höheren Zaubersprachen?«
    »Einen gibt es. Doch würde er nie …«
    »Und wer«, fiel Amadi ihm ins Wort, »ist dieser Junge?«
    »Mein Lehrling.«

Kapitel 7
    Kaum hatte Nicodemus sich fünf Schritte von den Druiden entfernt, da begann er auch schon die Passwörter für den Speicherturm zu formen.
    Anderswo in Starhaven würden sich etliche Türen nicht öffnen lassen, bevor man sie nicht mit Hunderten kunstvoller Sätze gefüttert hatte. Doch für die Tore des Speicherturms benötigte man nur einen einzigen Satz in einer einfachen Sprache.
    Dennoch brauchte Nicodemus eine halbe Ewigkeit für die blassgrünen Runen. Ihre Textur glich einem groben, steifen Stoff. Während er sich mühte, konnte er Deidres bohrenden Blick förmlich im Rücken spüren.
    Sobald er die Passwörter zusammen hatte, ließ er sie auf die schwarze Türklinke fallen. Eine Zunge aus weißen Runen stieß aus dem Schlüsselloch hervor und verschlang die Wörter. Ungeduldig wartete Nicodemus, dass der Schließzauber die Verriegelung endlich freigeben würde. Kaum wurde der eiserne Riegel zurückgezogen, schlüpfte Nicodemus auch schon hinein und zog das Tor hinter sich zu.
    »So eine blöde Kuh«, schimpfte er. Er war erleichtert, der Druidin und ihrer Fragerei entkommen zu sein. Hoffentlich würde sie nicht irgendwelche Zauberer nach ihm ausfragen. Angesichts dessen, was Shannon über die Gesandten aus Astrophell gesagt hatte, könnte ein neuerliches Interesse der Zauberer an seinem Keloid nicht nur peinlich, sondern sogar tödlich sein.
    Er eilte die Stufen hinauf.
    Schon seit langem nutzte man den Speicherturm als geheimes Getreidesilo, für

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