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Nicodemus

Nicodemus

Titel: Nicodemus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Charlton
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mal halblang, du klischeehaftes Geschreibsel!«, schnauzte Nicodemus. »Ich sagte nicht schreiben, sondern ich sagte heraussuchen, sprich stehlen.«
    »Sieh mal einer an, der Junge hat ja doch ein bisschen Mumm.« Die Wasserspeierin lachte leise in sich hinein. Sie unterbrach ihren Abstieg und sah sich zu ihm um. »Stehlen von wem?«
    Nicodemus strich sich eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht. Einen Wasserspeier zu bestechen war, obwohl streng verboten, doch gang und gäbe in Starhaven. Zwar behagte ihm die Sache ganz und gar nicht, aber eine weitere schlaflose Nacht behagte ihm noch viel weniger. »Ich bin der Lehrling von Magister Shannon«, sagte er.
    »Magister Agwu Shannon, der berühmte Linguist?«, fragte die Wasserspeierin aufgeregt. »Der große Fachmann auf dem Gebiet textlicher Intelligenz?«
    »Eben der.«
    Auf dem Gesicht der Wasserspeierin machte sich ein steinernes Lächeln breit. »Dann bist du also der Junge, der den Weissagungen nicht gerecht geworden ist. Der, den alle für den Halkyon gehalten haben und der sich dann als Vollidiot entpuppt hat?«
    »Kommen wir jetzt ins Geschäft oder nicht?«, erwiderte Nicodemus hitzig und ballte die Fäuste.
    Immer noch mit einem Lächeln auf den Lippen stieg die Wasserspeierin auf den Tisch hinab. »Stimmt es, was man sich über Shannon erzählt?«
    »Das weiß ich nicht, ich kümmere mich nicht um das Gerede«, knurrte Nicodemus. »Und wenn du auch nur ein Wort gegen meinen Magister sagst, dann werde ich dir, der Himmel möge mir beistehen, so eine verpassen, dass kein Satz mehr auf dem anderen bleibt.«
    Die Wasserspeierin kicherte. »Was für ein treuer Lehrling! Gerade wolltest du noch eine von Shannons Schriftrollen klauen.«
    Mit zusammengebissenen Zähnen führte Nicodemus sich noch einmal vor Augen, dass fast jeder Lehrling irgendwann einmal ein Geschöpf mit dem Werk seines Mentors bestach. »Wasserspeierin, was verlangst du?«
    Die Antwort kam prompt: »Einen Viertelzentner mehr Gewicht, so dass mich die mittelgewichtigen Wasserspeier nicht mehr von der Schlafstange schubsen können. Und vierfache kognitive Fähigkeiten.«
    Fast hätte Nicodemus die Augen verdreht. »Sei nicht albern; nur die wenigsten Menschen erlangen vierfache kognitive Fähigkeiten.«
    Stirnrunzelnd hängte sich die Wasserspeierin ein Buch an den Schwanz. »Dann eben dreifache.«
    Nicodemus schüttelte den Kopf. »Bei deinem Grundtext können wir es höchstens mit zweifacher Kognition versuchen.«
    Die Wasserspeierin verschränkte die Arme vor der Brust. »Dreifache.«
    »Da könntest du genau so gut um den weißen Mond feilschen. Du verlangst etwas, das ich dir nicht geben kann.«
    »Und du verlangst, dass ich mich von einem Kakographen bearbeiten lasse? Sind Kakographen nicht unfähig, sich lange genug zu konzentrieren, um einen Zauber zu Ende zu bringen?«
    »Nein«, sagte er kurzangebunden. »Bei manchen ist das so, bei mir aber nicht. Das Einzige, was einen Kakographen ausmacht, ist, dass er durch bloßes Berühren in einen komplizierten Text Fehler hineinbringt. Dich aber müsste ich nicht einmal berühren.«
    Das steinerne Affenweibchen verschränkte abermals die Arme vor der Brust. »Aber du verlangst von mir, vorsätzlich gegen die Bibliotheksordnung zu verstoßen.«
    Diesmal verdrehte Nicodemus tatsächlich die Augen. »Du kannst gar nicht gegen die Bibliotheksordnung verstoßen, Wasserspeierin. Du besitzt bloß einfache Kognition. Deine Regeln verbieten es nur, dich von mir anfassen zu lassen. Ich müsste dich heute Nacht lediglich mit Worten anfeuern. Und das kann ich tun, ohne dich überhaupt zu berühren. Ich habe das schon mal gemacht, und der Wasserspeier hat keine einzige Rune eingebüßt.«
    Sie beugte sich vor und musterte ihn mit ausdruckslosen Steinaugen. »Ein Viertelzentner mehr Gewicht und zweifache Kognition.«
    »Abgemacht«, ächzte Nicodemus. »Und jetzt dreh dich um.«
    Am Schwanz der Wasserspeierin hing immer noch ein großes Zauberbuch. Statt es auszuhaken, stellte sie sich einfach darauf, drehte sich herum und bot ihren Rücken dar.
    Am oberen Ende der Ärmel von Nicodemus’ schwarzem Lehrlingsgewand waren Schlitze eingearbeitet. Durch die schlüpfte er jetzt mit den Armen und blickte auf seinen rechten Ellenbogen hinab.
    Magische Runen schuf man nicht mit Stift und Papier, sondernmit Muskelkraft. Wie alle Zauberschreiber besaß Nicodemus von Geburt an die Gabe, seine Körperkraft in Runen von reinster magischer Energie verwandeln zu

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