Nicodemus
können. Indem er seinen Bizeps anspannte, formte er in seinem Arm etliche Runen. Er konnte die silbrigen Worte sehen, die durch Haut und Sehnen hindurch schimmerten. Erneut spannte er seinen Oberarm an, verband die Zeichen zu einem Satz und ließ sie in seinen Unterarm fließen.
Mit einer schwungvollen Handbewegung gab er den einfachen Zauberspruch frei, der sich daraufhin in der Luft wand wie eine silberne Schlange aus Rauch. Nicodemus streckte den Arm aus, und der Satz glitt in den Nacken des Affenweibchens.
Der Spruch enthielt einen Zerlegezauber und überall, wo er das Geschöpf berührte, erstrahlte es in silbernem Glanz. Mit dem linken Arm bildete Nicodemus einen zweiten Satz und fügte ihn dem ersten hinzu. Eine leuchtende Naht lief bis zum Schwanz der Wasserspeierin hinab und die beiden Rückenhälften klappten wie an Scharnieren auseinander.
Eine Fülle glühender, sich windender Worte tat sich vor ihm auf.
Die einzelnen Zaubersprachen hatten unterschiedliche Eigenschaften, und diese Wasserspeierin bestand aus zwei Sprachen: Magnus, einem robusten silbrigen Idiom, das die stoffliche Welt beeinflussen konnte, und Numinus, einem eleganten goldenen Idiom, welches in der Lage war, das Licht und andere Zaubertexte zu verändern. Mit Numinus dachte die Wasserspeierin und mit Magnus bewegte sie sich.
Vorsichtig darauf bedacht, die Wasserspeierin nicht zu berühren, begann Nicodemus Runen zu bilden und sie einzuspeisen. Bald schon flossen die Magnus-Sätze als silbrig leuchtender Strang aus seinen Armen in das Geschöpf hinein.
Trotz seiner grauenhaften Rechtschreibung konnte Nicodemus schneller schreiben als manch großer Zauberer. Daher beschloss er, die Wasserspeierin jetzt gleich noch mit ein paar extra feurigen Worten zu füttern, denn ein weiteres Mal würde sie sich dieser Prozedur womöglich nicht unterziehen.
Nachdem er nun mit den Händen näher heran war, spannte er seinegesamte Hand- und Armmuskulatur an, von den winzigen Muskeln zwischen den Mittelhandknochen bis zu den paketförmigen Deltamuskeln über den Schultergelenken. Sofort ergoss sich ein greller Strom von Zaubersprüchen in den Rücken der Wasserspeierin.
Es funkelte so hell, dass Nicodemus schon fürchtete, ungewollt Aufmerksamkeit zu erregen. Zwar stand er Armlängen vom nächsten Fenster entfernt, aber ein zu dieser späten Stunde noch tätiger Zauberer, der draußen vorbeiginge, hätte das Leuchten sehen können. Wenn man Nicodemus erwischte, würde man ihn von der Akademie verweisen, ihm gar für immer die Gabe des Schreibens nehmen.
Just in diesem Augenblick ertönte links von Nicodemus ein dumpfer Schlag. Zu Tode erschrocken hielt er im Schreiben inne und drehte sich um; er rechnete damit, dass sich ein aufgebrachter Bibliothekar auf ihn stürzen würde.
Doch er sah nur dunkle Regale voller Bücher und Schriftrollen und dahinter eine Reihe schmaler, vom Mond beschienener Fenster.
Ein weiterer Schlag ließ Nicodemus zusammenzucken. Die Geräusche kamen offenbar vom Dach der Bibliothek.
Er schaute hoch, sah aber nur die Decke. Dann ertönte ein Trappeln in der Dunkelheit, als würde jemand über das Dach laufen. Die Schritte gingen direkt über ihn hinweg, beschleunigten und verschwanden dann am anderen Ende des Saals.
Nicodemus sah den Schritten nach. Als sie das Ende des Daches erreicht hatten, verklangen sie. Über die Papierverkleidungen huschte der Schatten eines Mondes.
Dann vernahm er neben sich ein leises Gemurmel. »Ba, Ball, Ballon, Ballistik.« Ein Kichern. »Symbolisch, ballistisch. Ha! Symbolisch, diabolisch. Diabolisch, symbolisch. Sym … bolisch ist das Gegenteil von dia … bolisch. Ha, ha.«
Nicodemus blickte hinab und sah zu seinem Entsetzen, dass sich eine seiner Hände in den silbernen und goldenen Sprachgirlanden verfangen hatte. Durch seine Berührung lösten sich die vormals festen Satzverbindungen und gerieten durcheinander. Er musste aus Versehen eine Hand auf das Geschöpf gelegt haben, als die Schritte ihn aufgeschreckt hatten.
»Mist!«, zischte er und zog die Hand zurück.
Kaum hatten sich seine Finger von der Wasserspeierin gelöst, klappten ihre beiden Rückenhälften auch schon wieder zusammen. Im Nu war sie auf den Beinen und glotzte ihn an – das eine Auge golden leuchtend, das andere silbrig pulsierend. »Vertex, Vortex, Universität«, murmelte sie und lachte, so dass ihre scharfen Primatenzähne zum Vorschein kamen. »Invasion. Inversion. Ha, ha! Aversion, Aversiooooon.«
»Mist,
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