Nie genug (German Edition)
miteinander.
So schlendern wir eine Weile weiter, bis ich anfange zu frieren. Sam hat sich schon längst wieder seinen Pullover übergezogen, doch die Jacken haben wir in den großen Satteltaschen seines Motorrads verstaut.
„Wir sollten zurückgehen und uns vielleicht ein Lokal suchen, wo wir essen können“, sagt er und dreht auch schon auf dem Absatz um. Es ist später Nachmittag und wir haben bisher nur gefrühstückt. Ich folge seinem Richtungswechsel und sehe sofort, was ihn mitten im Schritt bremst.
„Das ist nicht gut“, bemerkt er mit Blick auf die tiefschwarze Wolkenwand vor uns. In der Ferne regnet es schon heftig.
„Und jetzt? Ich dachte, es soll trocken bleiben.“
„Dachte ich auch. Wenn das hier rüber zieht, was es sehr wahrscheinlich wird, dann können wir nicht fahren. Wir haben keine Regenkleidung, und außerdem fahre ich nicht gerne bei starkem Regen. Schon gar nicht mit Sozius.“
„Toll, Sam. Was machen wir?“ Ich versuche gerade wirklich, mich nicht aufzuregen.
„Wir gehen jetzt essen und dann suchen wir uns eine Pension“, sagt er schulterzuckend. Ihn scheint die ganze Situation nicht weiter aufzuregen.
„Du willst hier übernachten?“, frage ich ungläubig.
„Ähm, ja. Ist das ein Problem?“ Er stellt sich vor mich und streicht mir ein paar verirrte Strähnen aus dem Gesicht. Der Wind nimmt gerade ordentlich Fahrt auf und wirbelt meine Haare hoch.
„Ich hab keine Zahnbürste.“ Ehrlich, Emma. Deine Argumente lassen sehr zu wünschen übrig.
„Im Ort gibt es eine Drogerie. Da können wir was besorgen.“
„Ich habe aber nichts, worin ich schlafen kann.“ Mir ist klar, dass Sam wohl ein gemeinsames Zimmer nehmen will, und ich werde nicht in Unterwäsche neben ihm liegen.
„Dann bekommst du ein T-Shirt von mir. Ich habe noch eins in der Satteltasche.“
Jetzt sind mir alle Argumente ausgegangen.
„Hmpf…!“
Sam strahlt mich an und zieht mich gleich hinter sich her, Richtung Dünen.
7.
Es ist offiziell: Ich hasse Sam. Dafür, dass er mich zu Dingen überredet, bei denen ich mich unwohl fühle. Dafür, dass er ständig an meine Grenzen stößt. Dafür, dass er so verflucht charmant ist.
Nach einer schon fast lautstarken Diskussion vor der Chefin der Pension, darüber wer das Zimmer bezahlt, hat er mir einfach meine Tasche abgenommen und seine Kreditkarte auf den Tisch geknallt.
Oh, und dass er doch kein Ersatzshirt in seiner Tasche hatte, habe ich gerade erst erfahren. Mit an den Oberkörper gezogenen Knien sitze ich auf dem Bett und sehe trotzig zu ihm hoch.
„Es ist keine große Sache, Emma. Du gehst jetzt duschen und wickelst dich in eins der großen Badetücher. Wenn du aus dem Bad kommst, dann gehe ich rein und in der Zeit kannst du unter der Decke verschwinden. Ich schwöre, ich werde heute Nacht keinen heimlichen Blick wagen.“
„Ich hasse dich, Sam!“
„Tust du nicht.“ Er zieht mich vom Bett hoch und schiebt mich ins Bad.
Eine halbe Stunde später liege ich unter der Decke, nur mit meinem Slip bekleidet, und warte auf Sam. Die Dusche hat er gerade abgestellt. Wenige Momente später kommt er, nur mit einer eng anliegenden Boxershorts bekleidet, aus dem Bad. Er reibt sich die Haare mit einem Handtuch trocken, wodurch seine kurzen Locken ein überraschendes Volumen bekommen.
„Hey!“, sagt er und folgt meinem Blick, der sich gerade auf dem Weg von seinem Kopf bis zu den Zehen befindet. So wie sein Oberkörper aussieht, hatte ich eigentlich mehr Tattoos unterhalb der Gürtellinie erwartet, aber er hat nur den rechten Unterschenkel mit ähnlichen Mustern, wie auf seinem Rücken und Brustkorb, tätowiert.
„Soll ich mich einmal umdrehen, damit du alles bewundern kannst?“, fragt er und breitet seine Arme aus. Ich weiß, dass es nicht jedermanns Geschmack ist, aber für mich ist Sam eine absolute Augenweide. Ich nicke und mache eine Drehbewegung mit dem Zeigefinger. Sam lässt sich einmal von allen Seiten anschauen und wirft das Handtuch hinter sich auf einen Stuhl.
Warum kann ich nicht so offen mit meinem Körper umgehen? Ach ja, richtig: weil ich fett, hässlich und untrainiert bin. Ich nerve mich mit meinem Selbstmitleid, aber ich kann es einfach nicht abstellen.
Sam schmeißt sich neben mich aufs Bett und bleibt auf der Decke liegen. Er dreht sich zu mir und beobachtet mich.
„Ist dir nicht kalt?“, frage ich.
„Ich nehme mir gleich meine Decke. Die Dusche hat mich etwas aufgeheizt“, flüstert er und streicht
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