Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nie mehr Nacht (German Edition)

Nie mehr Nacht (German Edition)

Titel: Nie mehr Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirko Bonné
Vom Netzwerk:
erstaunt, mich zu sehen, boxte mir erfreut auf den Arm und erzählte sofort, dass er den Mercedes verkauft hatte, nie und nimmer würde ich erraten, an wen.
    »Ist sie da?«, fragte ich ihn, und er stutzte, ehe er den Kopf schüttelte und lachte.
    »Urlaub«, sagte er nach Luft japsend auf Englisch. »Sie hat ein paar Tage freigenommen und ist weggefahren. Mit Ihrem Wagen!«
    Wenn Didier lachte, trat sein ausgefrästes Nasenbein sehr deutlich und schön hervor. Ich fragte mich, wer es zustande gebracht hatte, so punktgenau auf die Nase einzuschlagen.
    »Ich habe etwas für Ihren Vater. Können Sie ihm die geben, bitte, und ihm in meinem Namen danken?«
    Ich gab ihm die Schlüssel für Hoftor, Gerätehaus und Kücheneingang des L’Angleterre . Didier nahm den Schlüsselbund und versenkte ihn kommentarlos in seiner Nadelstreifenweste.
    Ich bat ihn, Annik zu grüßen.
    »Werd ich machen.«
    »Sagen Sie ihr, in dem Mercedes funktioniert die Heizung nicht richtig.«
    »Weiß sie. Es war ihr egal.«
    Er sah mich an.
    Ich sah ihn an.
    Es gab nichts weiter zu sagen.
    »Geben Sie mir ein Blatt Papier und einen Stift bitte.«
    Ich wartete ab, bis er beides auf den Tresen legte, dann begann ich ohne Zögern zu zeichnen. Didier sah mir zu. Ich zeichnete Anniks Augen, nur Pupillen, Lider, Wimpern, Brauen und Übergang von Nase zu Stirn. Es dauerte keine Minute. Als ich fertig war, schob ich ihm das Blatt hin und bat ihn, es ihr zu geben.
    »Werd ich machen«, sagte er wieder nur, hörte aber nicht auf, die Zeichnung zu betrachten.
    Ich bat ihn um ein weiteres Blatt. Darauf zeichnete ich seine Nase, ihren Rücken, der in der Mitte abbrach und zu einem Krater abfiel. Auf dem Kratergrund stand ein kleiner schwacher Glanz.
    »S’il vous plaît. Pour vous.«
    Didier stutzte, dann lachte er. Er verschluckte sich, hustete, lief rot an und lachte trotzdem immer weiter.
    Halb verhungert machten wir uns in der Pension, die ein kleines, exquisites Hotel im Zentrum war, über das Frühstücksbüfett her. Kevin trank drei Tassen Kaffee, dann endlich ließ ihn die Migräne aus den Fängen und kehrte auch seine Neugier zurück. Wieder wollte er wissen, was ich auf dem Schrotthof gemacht hatte, aber auch diesmal antwortete ich nur ausweichend und sagte ihm bloß die halbe oder ein Viertel der Wahrheit. Ich hatte etwas abgegeben. Der Mutter und der Tante des alten Schrotthändlers gehörte das L’Angleterre , noch zumindest, denn Flaubert und Sohn waren drauf und dran, das Hotel an einen Amerikaner zu verkaufen.
    Sein Smartphone piepte. Er nahm es, stand auf und ging zum Telefonieren in den Wintergarten. Nana, dachte ich.
    »Der Junge will es wirklich wissen!« Kevin setzte sich wieder. Ich brauchte einige Zeit, um zu begreifen, dass er von dem jungen Zeichner redete. Erst da fiel mir ein, dass wir mit ihm verabredet waren. Ich hatte nicht mehr an ihn gedacht, ihn nicht vermisst, ich kannte den Jungen ja nicht, für mich gab es ihn gar nicht.
    Er hieß Schuh. Schuh hatte sich schon früh am Morgen nach dem Gui erkundigt und sich den Weg zu der alten Steinbrücke schildern lassen, dann ein Taxi gerufen und war hingefahren.
    »Tja, und jetzt ist er schon fast fertig«, sagte Kevin. Selbst er konnte sein Staunen nicht verhehlen. »Eine Stunde braucht er noch, dann ist auch der Gui gemacht. Fehlt noch die Vire-brücke. Willst du seine Zeichnungen sehen? Schuh hat sie heute Morgen gemailt.« Er klappte das Lederfutteral zurück. Hellblau leuchtete sein iPad auf.
    »Nein, sagte ich, »lass mal lieber.«
    Ich aß ein paar Bissen, hatte aber keinen Appetit mehr. Kevin erzählte, er habe Schuh über Nanas früheren Doktorvater kennengelernt. Ihr alter Prof hatte zu einem Abendessen Zeichnungen eines jungen Chinesen mitgebracht und sie ihm kommentarlos vorgelegt.
    »Einen chinesischen Teenager lässt du Brücken des D-Day zeichnen – du bist wirklich vollkommen irre.«
    Kevin freute sich, wie er sich immer ein Loch in den Bauch freute, wenn er alle überraschte. Das war wohl das Höchste für ihn, etwas Besseres hatte das Leben nicht zu bieten.
    »Du rauchst gar nicht mehr«, sagte er. Nach fünfzehn Stunden war es ihm doch noch aufgefallen.
    »Nein. Hab’s seinlassen.«
    Keine Frage nach Gründen oder meinem Befinden. Seit wir uns kannten, hatte ich immer geraucht, schon auf dem Campingplatz am Atlantik mit Gordy, als wir alle sechzehn gewesen waren.
    »Na komm, mein Alter, lass uns. Wir holen Xu am Gui ab, ich nehm deine geheime Brücke kurz in

Weitere Kostenlose Bücher