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Nie mehr Nacht (German Edition)

Nie mehr Nacht (German Edition)

Titel: Nie mehr Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirko Bonné
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Hunderte Sicherheitsvorschriften! – mein Beruf. Alte Fähren rentieren sich nicht mehr, man mustert sie aus, verkauft sie nach Afrika oder verschrottet sie.
    Mein Vorschlag, jetzt kommt er: 25 Jahre lang fuhr ich fast täglich mit der Kitty von Cherbourg nach Poole und wieder zurück, oft sogar zweimal, dreimal am Tag. Die Kitty wurde außer Dienst gestellt, eine Tragflächenfähre verkehrt jetzt auf ihrer Route, und es hat sich kein Käufer für sie gefunden. Sie ist ein gutes Schiff, ein heiteres, fröhliches, ob Sie das verstehen? In drei Tagen geht sie auf letzte Fahrt, in Cherbourgs Schwesterstadt Bremerhaven wrackt man sie ab, und ich werde dabeisein, um sie zu überführen.
    Ich würde mich freuen, wenn Sie mitkämen. Von Bremerhaven nach Hamburg ist es nicht weit, mit dem Zug nur anderthalb Stunden! Ich könnte Sie fast nach Hause bringen – könnte Ihnen erzählen – von mir – und Sie mir – von sich. Es wäre eine gute letzte Reise.
    Lilith«
    Kevin saß in der Küche, schon in Mantel und Schal, vor sich das Lederfutteral und seine Autoschlüssel. Mit glasigen Augen blickte er durch mich hindurch und stöhnte. Warum war ich so munter? Wieso hatte ich keinen Brummschädel, anscheinend ja nicht mal leichte Kopfschmerzen, wollte er wissen, und ich zuckte bloß mit den Schultern, sagte, ich hätte drei Monate Zeit gehabt, um mich mit dem Wein aus der Gruft des L’Angleterre anzufreunden, sagte aber nicht, dass ich jedes Mal, wenn ich in den Keller gegangen war, um ein oder zwei neue Flaschen zu holen, auch ein Glas Leitungswasser getrunken hatte. Ich stellte ihm eines hin. Funkelnd spiegelte sich der blasse Schneehimmel darin, so lange bis Kevin das Wasser nicht mehr nur ansah, sondern es hinunterstürzte.
    »Gib mir fünf Minuten«, sagte ich, ließ ihn am Tisch sitzen und stieg hinauf in den ersten Stock. Ich zog Kevins Bett ab, dann meines, warf die Wäsche in den Wäscheschacht im Badezimmer und schloss dort und in unseren Zimmern die Fenster.
    Vor den Bildern im Korridor überlegte ich, doch kam auf nichts, was ich hätte mitnehmen müssen. Was noch mir gehörte, trug ich bei mir oder war Teil meiner Gedanken. Ich brauchte kein Andenken einzustecken, spürte ja, als Souvenir der Zeit im L’Angleterre nahm ich die Leere mit, und wusste endlich auch, sie war gar keine Leere, sondern Abwesenheit. So, wie mir alles zerbrochen erschienen war, vermisste ich jetzt jeden, nicht nur die Kinder, meine Eltern oder Juhls. Auf einmal war ich wieder zu allem Möglichen unterwegs, und dass ich nicht wusste, was mich erwartete, vergrößerte nur meine Neugier.
    War der junge Flieger je im L’Angleterre gewesen? In seinem Buch hatte McCoy Lee das Hotel, das für ein paar Monate nach dem D-Day britische Offiziersunterkunft geworden war, nicht erwähnt. Er war kein Offizier. Dennoch hatte er vielleicht im Hof gestanden oder war mit Kameraden in der Küche verköstigt worden, während alles auf den nächsten Marschbefehl wartete.
    In der Bibliothek stellte ich die Billardqueues in den Ständer. Auf dem Lesetisch lag der Hemingway-Band. Ich schob das Buch ins Regal. In der Lobby setzte ich das Telefon in Gang, lauschte in den Hörer, hörte das Freizeichen. Ich ging in die Küche und sah Kevin draußen am Auto telefonieren. Ich spülte sein Wasserglas aus, trocknete es ab und stellte es zurück in den Schrank.

14
    V orbei an weißen Feldern und tief verschneiten Waldstücken fuhren wir in die Stadt. Kevin kam nur langsam zu sich, während ich mich fragte, wie der Junge, der auf uns wartete, es wohl anstellen wollte, die Brücken zu zeichnen. Auf Äckern und Böschungen lag der Schnee knöchelhoch, vielerorts hatte starker Wind für kniehohe Schneewehen gesorgt. Am Gui und an der Vire war jedoch im Sommer und Hochsommer um die Brücken gekämpft worden. Für die Zeichnungen, wie Kevin sie sich vorstellte, schien die Verrückung der Jahreszeit unerheblich zu sein.
    Ich bat ihn, einen kurzen Abstecher zu machen, und zeigte ihm den Weg durch den dichten Verkehr in den Bayeuxer Vororten. Erst als wir aufs Gelände von Flauberts Autohof fuhren, fiel mir ein, dass Sonnabend war und Annik an Wochenenden nicht arbeitete, sondern ausschlief und Serge entgegenfieberte. Dennoch stand ihr BMW vor dem Verkaufspavillon.
    Kevin blieb im Auto sitzen und wendete, und ich stapfte die beschneiten Stufen hinauf zum Eingang, klopfte ans Türglas und trat ein. Nur der junge Flaubert war da, weder sein Vater noch Annik. Didier war

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