Nie mehr ohne deine Küsse
wie man als Außenstehender vielleicht meinen würde.“
„Du machst dir etwas vor, Lily. Du versuchst, dich zu rechtfertigen.“
Ethans ungeduldiges Auf- und Abgehen im Büro sowie der Klang seiner Stimme ließen sie unvermittelt an die zahllosen Polizeistationen und Gerichtssäle zurückdenken. An die vielen harten Fragen der Polizisten und Anwälte, die sie am liebsten vergessen wollte. Sie konnte nicht mehr.
„Als Dads letzter Coup schiefging, kam er ins Gefängnis. Richter Harris entschied, ich hätte ein neues Leben ohne Dads schlechten Einfluss verdient. Also verordnete er mir statt einer Haftstraße ein Resozialisierungsprogramm über vier Jahre. Nach dem erfolgreichen Abschluss des Programms wurden meine Akten versiegelt und niemand sollte etwas von meiner Vergangenheit erfahren. Ich habe mein Bestes gegeben. Und wenn es nach dem Gesetz ginge, ist nichts von all dem, was hier aufgelistet wurde, passiert. Und darum habe ich dir auch nichts davon erzählt. Ich finde, es geht dich auch gar nichts an.“
„Da muss ich dir widersprechen.“
Sie würde es nicht schaffen, ihn zu überzeugen. Dieser Satz war wie der letzte Nagel, der in ihren Sarg geschlagen wurde. Ethan gab ihr keine Chance. Tränen brannten in ihren Augen.
„Mach doch, was du willst. Mir ist langsam alles egal.“
„Du kannst nicht so tun, als wäre das alles nie passiert, Lily. Du kannst nicht einfach vor deiner Vergangenheit davonlaufen.“
„Redest du jetzt von dir? Ich war eigentlich gerade auf dem besten Weg, meiner Vergangenheit zu entkommen.“
Sie sah, wie Ethans Gesicht wieder diesen harten Zug annahm.
„Was soll das denn bedeuten?“, blaffte er.
„Es gibt Menschen, die aus ihrer Vergangenheit und ihren Fehlern lernen – und über sich selbst hinauswachsen. Menschen, die ihre Probleme überwinden. Mein Vater hat eine Verbrecherin aus mir gemacht. Aber ich habe mich geändert und bin jetzt sauber. Was ist deine Entschuldigung?“
Jetzt hatte sie einen Nerv getroffen. Sein Gesicht verzerrte sich vor Wut.
„Hier geht es überhaupt nicht um mich. Du bist die Verbrecherin. Die Lügnerin. Du warst diejenige, die mir in dieser Beziehung die ganze Zeit etwas vorgemacht hat.“
Mittlerweile war Lily so übel, dass sie kaum noch sprechen konnte. Sie schaffte es gerade noch, Ethans Blick standzuhalten.
„Ich habe dich nie angelogen. Jedenfalls nicht, wenn es um die Dinge ging, die wirklich zählten“, fügte sie leise hinzu.
Ethan schien nicht zu verstehen, worauf sie hinauswollte. Vielleicht wollte er es aber auch nicht verstehen. „Ich glaube dir nicht. Und außerdem liegst du falsch, wenn du meinst, du könntest mir deine Vergangenheit verheimlichen, und es würde keine Rolle spielen.“
„Und du bist ein verdammter, voreingenommener Mistkerl, weil du so einen Wind darum machst.“
Die Stille, die auf diesen Satz folgte, sagte ihr alles, was sie wissen musste. Sie konnte nichts mehr tun. Er würde seine Meinung über sie nicht ändern. Er würde sie immer als die Person sehen, die sie damals gewesen war.
Sie hatte ihn verloren. Schon in dem Moment, in dem er einen Blick auf ihre Akte geworfen hatte. Sie hätten sich das Gespräch genauso gut sparen können.
So viel also zum Thema Neuanfang. Wahrscheinlich würde sie es nie schaffen, ihrer Vergangenheit zu entkommen … Bei dem Gedanken schnürte sich ihr die Kehle zu. Plötzlich brauchte Lily dringend frische Luft.
Die Tür zu öffnen und das Büro zu verlassen, kam Lily wie einer der schwersten Schritte in ihrem Leben vor.
Im Stall ging alles seinen gewohnten Gang. Überall wimmelte es vor pferdeverrückten kleinen Mädchen. Irgendwo im Hintergrund hörte sie, wie Duke sich offensichtlich wieder über irgendeinen Gegenstand in seiner Box hermachte … Nichts hatte sich verändert. Es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass ihre Welt gerade zusammengebrochen war. Oder dass ihr das Herz gerade aus der Brust gerissen worden war.
Die Tränen, die sie versucht hatte, zurückzuhalten, verschleierten jetzt ihren Blick. Sie senkte den Kopf und konzentrierte sich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
„Lily“, rief einer der Stallarbeiter. „Könntest du …“
Ein Fuß vor den anderen. Nicht stehen bleiben.
„Nein, ich kann gerade nicht.“
Sie musste hier raus, bevor sie zusammenbrach.
Kaum war sie vor dem Stall in den grellen Sonnenschein getreten, strömten die Tränen nur so über ihre Wangen. So schnell wie möglich lief sie zu ihrem Apartment
Weitere Kostenlose Bücher