Nie mehr ohne deine Küsse
zu sagen, worum es eigentlich ging.
Nicht, dass Ethan über seinen kurzen Besuch enttäuscht wäre. Jedes Zusammentreffen mit seinem Vater – ganz gleich, wie kurz es auch war – brachte ihn an seine Grenzen. Und wäre es in ihrem Gespräch nicht um Lily gegangen, würde er den Stapel Papiere vor ihm ungelesen in den Papierkorb werfen. Doch das merkwürdige Gefühl, das er in Bezug auf Lily bereits von Anfang an verspürt hatte, ließ ihn zögern.
Die erste Seite war eine Gesprächsnotiz von einem der Berater seines Vaters, in der es darum ging, dass Lily Ann Blacks Vergangenheit geprüft worden war.
Sein Vater hätte sich nicht die Mühe gemacht, ihn persönlich aufzusuchen, wenn sie nicht etwas gefunden hätten, das Lily diskreditierte.
Will ich das wirklich wissen?
Ethan blätterte weiter. Er sah Lilys Bewerbung, einen Nachweis darüber, dass keinerlei Verkehrsvergehen vorlagen sowie den allgemeinen üblichen Einstellungs-Check. Als er die nächste Seite aufschlug, musste er einen Moment innehalten, bevor ihm klar wurde, was er da vor sich hatte.
Es war ein Fahndungsfoto von Lily. Sie war noch sehr jung auf dem Bild, wahrscheinlich stammte es aus ihrer Teenagerzeit. Ihr Haar war blond und von einigen knallroten Strähnen durchzogen. Sie trug viel zu viel Make-up, was ihren mürrischen Gesichtsausdruck noch betonte. Er erkannte sie kaum.
Da ist s ie ja noch ein Kind. Was kann sie schon großartig verbrochen haben?
Als er zur nächsten Seite weiterblätterte und die Liste ihrer Vergehen durchlas, wurde ihm klar, dass sie so ziemlich alles verbrochen hatte, was man sich nur vorstellen konnte. Es war kaum zu glauben, dass all diese Taten von einer jugendlichen Straftäterin verübt worden sein sollten.
Hacking, Betrug, Fälschungen, Diebstahl, Unterschlagung … Das kann doch nicht wahr sein! Kein Wunder, dass Lily das dringende Bedürfnis gehabt hatte, Mississippi zu verlassen. Der ortsansässige Richter sähe sie sicher am liebsten hinter Gittern.
Und Lily hatte ihm gegenüber immer so getan, als wäre sie die Unschuld vom Lande.
Die Anmerkung, dass ihre offiziellen Akten versiegelt waren, erklärte, wie Lily die Prüfung für Hill Chase anstandslos hatte bestehen können. Offensichtlich hatte sein Vater alle Register gezogen, um an diese Informationen zu kommen. Ethans Abscheu vor seinem Vater, der seine Macht missbraucht hatte, um Lily hinterherzuschnüffeln, wurde schnell von einem ganz anderen Gefühl abgelöst. Einer unglaublichen Wut.
Lily hatte ihn die ganze Zeit über angelogen.
Kein Wunder, dass sie am liebsten allein war und nicht viel redete. Sie war weder schüchtern noch ruhig. Er hatte recht gehabt. Lily wollte einfach nicht reden.
Und jetzt wusste er auch, warum.
Noch viel schlimmer war, dass diese Straftatenliste, so umfangreich sie auch war, nur die Vergehen beinhaltete, derer sie überführt worden war. Bestimmt hatte sie viel mehr auf dem Kerbholz, als er sich auch nur vorstellen konnte.
Sein nächster Gedanke ließ ihn frösteln: Aus welchem Grund verschwieg sie ihm diese Dinge tatsächlich? Bradys Warnung an dem Abend der Benefizveranstaltung kam ihm wieder in den Sinn. Ethan stammte aus einer reichen und mächtigen Familie. Mit der gründlichen Überprüfung jedes Angestellten versuchte seine Familie, sich zu schützen. Und Lily war es gelungen, diese Barrikade zu umgehen. War es reiner Zufall, dass sie sich bei ihnen beworben hatte?
Sie hatte es faustdick hinter den Ohren. Und er hatte ihr geglaubt, als sie ihm von ihrer Familie und Mississippi erzählt hatte. Dabei war nichts von all dem wahr.
Sie hatte ihn reingelegt. Und er hatte sich in sie verliebt.
Lily war nichts weiter als eine schamlose Lügnerin.
8. KAPITEL
Im Stall war an diesem Tag mehr los als gewöhnlich. Am Abend feierte eines der Kinder eine Pyjama-Party. Und natürlich konnten die zehnjährigen Mädchen es gar nicht abwarten, endlich die Pferde zu sehen. Daher hatte Lily alle Hände voll zu tun, die kleinen Gäste vor den Pferdehufen zu bewahren und gleichzeitig darauf zu achten, dass sie den anderen Stallarbeitern nicht in die Quere kamen.
Außerdem hatte Duke schon wieder angefangen zu koppen. Dieses Mal hatte er es sogar geschafft, einen Elektrodraht zu zerkauen. Glücklicherweise hatte der Draht nicht unter Strom gestanden. Der Schmied wollte heute noch einmal vorbeikommen, um weitere Pferde zu beschlagen. Und obendrein hatte sich einer der Arbeiter krankgemeldet. Seufzend schleppte sie sich ins
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