Nie wieder Ferienhaus
von Detlef und Rinus nach zu urteilen, hatten unsere Nachbarn bisher entweder Pech oder sie waren tatsächlich erst wenige Stunden vor uns angereist, also, wenn man Pech hat, hat man nach einer Woche Urlaub tatsächlich den gleichen Bräunungsgrad wie die Fremdenführerin in der Dechenhöhle!
Man würde mir nicht ansehen, wie lange ich schon da war, man würde nicht mal ahnen, dass es sich auch bei mir um einen Campingnovizen handelte, denn ich würde derart cool neben meinem Caravan stehen, dass jedem Betrachter völlig klar wäre: Schon als Kind hatte ich immer mit Deichsel und Anhängerkupplung gespielt!
Nur war das kein Wohnwagen, der da von einem lindgrünmetallicfarbenen Mercedes auf den Platz gezogen wurde. Das war eine großzügige Wohnstatt für eine komplette Zirkusfamilie, und mit Zirkusfamilie meine ich eine richtige Zirkusfamilie mit mindestens drei Generationen.
Ein Weippert von gut und gerne sieben Meter fünfzig Länge in Cremebeige. Das allein hätte ich noch verkraften können. Denn wir hatten uns sehr bewusst für ein eher einfaches Modell mit einigen spannenden Extras entschieden. Wir hatten mit voller Absicht einen Wagen ohne Teppichboden gewählt, und ich hätte schwören können, der Weippert verfügte über einen Schurwollteppich in Langflorqualität. Flokatisals Bettvorleger hätten mich nicht überrascht, und ich hätte eine große Propangasflasche darauf gewettet, dass die Küchenhängeschränke mit Bleiverglasung ausgestattet waren.
Das alles war überflüssig und unvernünftig! Aber das Fahrgestell des Weippert bestand aus einer Tandem-Achse mit vier 195er Reifen … auf Alufelgen. Es gibt einfach Punkte, da endet für einen Mann jede Diskussion. Es war keine kleinkarierte Eifersüchtelei, die ich empfand, es war der blanke Neid!
Von meinem coolen Gesichtsausdruck war wohl nicht mehr viel übrig. Detlef und Rinus waren schon wieder auf dem Weg, um tatkräftig beim Auf bau mit anzupacken, mich dagegen packte der Gedanke, dass ein echter Camper nur ein Dach über dem Kopf brauchte. Und einem echten Camper war es vollkommen wurscht, auf welchen Felgen dieses Dach stand.
Ich schloss mich Detlef und Rinus an, ich half, soweit es meine handwerklichen Fähigkeiten zuließen, ich genoss das kühle Heineken, mit dem die Helfer üblicherweise entlohnt werden, und nur ganz selten fiel mein Blick auf die glänzenden Felgen.
Heinrich Büsinger nebst Gattin Hilde Fritzen-Büsinger, dazu zweieinhalb Kinder, von denen Benedikt und Sophia schon zur Welt gekommen waren, während das dritte noch von Hilde spazieren getragen wurde (»Das wird Nummer drei von vier!«). So hießen die Bewohner des Monstrums.
Hilde Fritzen-Büsinger war groß, sie war eine von den Frauen, die ihren Bauch nur vorne tragen, sodass man von hinten niemals darauf kommen könnte, dassdie frohe Erwartung bereits eingetreten ist. Sie trug dunkelblaue Espandrilles, dunkelblaue Shorts und ein T-Shirt mit der Aufschrift »Shhh, Baby’s asleep!« Wenn mich nicht alles täuschte, hatte sie noch kurz vor dem Urlaub die komplette Prénatal-Kollektion aufgekauft.
Heinrich war anders, er war nicht direkt muskulös, er war einfach das Schlimmste, was dem Normalcamper passieren konnte: Er war fit!
Heinrich sah genauso aus, wie man sich einen Menschen vorstellt, der den dunkelgrauen Flanellanzug mit dem blau-weiß gestreiften Hemd und der gelben Krawatte nur für zwei Wochen gegen Jeans und T-Shirt getauscht hatte.
Ich hatte zum Glück keine Zeit, neidisch zu werden, denn ich stellte gerade nicht ohne Stolz fest, dass ich mittlerweile sehr eilfertig Spaxschrauben durch Zeltstangenfüße bohren konnte, das war ja auch schon mal was!
Ich lag mit meiner Bleiverglasung-Vermutung richtig, und ich bemerkte – zu meiner Überraschung – eine Gemeinsamkeit!
»Das ist unser erster Campingurlaub! Bisher waren wir immer in Hotels oder im Robinson Club, vor allem wegen der kompetenten Kinderbetreuung! Aber Heinrichs Vater hat sich letztes Jahr diesen Wohnwagen gekauft, und Schwiegermutter hatte im März eine Hüftoperation, da ist ein Campingurlaub natürlich unzumutbar! Und ich darf nicht mehr fliegen, ich bin ja Spätgebärende …!« – »Ach, mehr als neun Monate?« – »Nein, ich bin siebenunddreißig, und meinGynäkologe hat mir dringend von einer Flugreise abgeraten!«
Es war mir vorher selten passiert, dass ich nach fünfzehn Minuten des Kennenlernens die ersten Vorschläge des Gynäkologen erfuhr, aber ich wusste immer noch nicht
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