Niedersachsen Mafia
es
ihr möglich war, fing sie Buggenthin auf und ließ ihn auf die Fliesen gleiten.
Dann sah sie auf den reglos daliegenden Mann.
»Herr Buggenthin?«, rief sie ihn.
Erschrocken hielt sie die Hände vors Gesicht. »Was mach ich bloß?«
Für einen Moment war sie starr vor Schreck. Dann gab sie sich einen Ruck und
wählte mit zittrigen Fingern die Eins-eins-zwei.
* * *
Frauke hatte sich noch einmal die Protokolle zu den Morden an Lars
von Wedell, Marcello Manfredi und Manuela Tuchtenhagen vorgenommen. Die
mutmaßlichen Mörder waren verhaftet worden. Nun galt es, die Protokolle zu
vervollständigen, die Indizien und Ergebnisse der kriminaltechnischen
Untersuchungen zu ordnen und die Befunde der Rechtsmedizin einzubringen. Mit
der Verhaftung des Täters, des »mutmaßlichen«, wie man bis zur Feststellung der
Schuld durch das Gericht zu sagen hatte, war der Fall noch nicht abgeschlossen.
Bis die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft übergeben werden konnte, damit
diese die Anklage erheben konnte, gab es noch viel Arbeit.
Simone Bassetti, dem vorgeworfen wurde, den Italiener Manfredi und
dessen Sekretärin Manuela Tuchtenhagen ermordet zu haben, hatte die Taten nach
Rücksprache mit seinem Anwalt eingeräumt. Dottore Alberto Carretta erwies sich
dabei als ebenso gewiefter wie kluger Rechtsvertreter. Der unscheinbare alte
Mann kannte sich nicht nur hervorragend im deutschen Strafrecht aus und nutzte
alle vermeintlichen Lücken für sich und seinen Mandanten, er trat in den
Verhören auch wie ein lauerndes Raubtier auf, das geduldig auf der Pirsch war
und beim kleinsten Fehler seines Gegners aufsprang und erbarmungslos zuschlug.
Die Begegnungen mit ihm erforderten von Frauke ein Höchstmaß an Konzentration.
Der kleine Mann wirkte höflich und bescheiden, fast ein wenig
zerstreut. Man war geneigt, ihn zu unterschätzen. Plötzlich verbiss er sich
aber in ein Detail, verhakte sich in einer Winzigkeit und versuchte, die
Polizei in Widersprüche zu verstricken.
Frauke sah in Carretta nicht den böswilligen Gegner, sondern einen
Anwalt, der versuchte, alles für seinen Mandanten herauszuholen. Deshalb war
sie auch überrascht gewesen, als Bassetti nach Rücksprache mit seinem Anwalt
die Taten eingeräumt hatte.
»Das macht keinen Sinn«, hatte sie Nathan Madsack gesagt, dem
Einzigen, mit dem sie ihre Gedanken und Zweifel austauschen konnte. Putensenf
war aus ihrer Sicht kein Gesprächspartner. Das lag nicht daran, dass der
Kriminalhauptmeister kein tüchtiger Polizist war. Aufgrund seiner ewigen
Nörgelei, der Stichelei gegen sie, weil sie eine Frau war, und seiner
abfälligen Kommentare gegenüber allem und jedem konnte sie Putensenf nicht
einschätzen. Und deshalb vertraute sie ihm nicht.
Außerdem hatte der Kriminalhauptmeister auf das falsche Pferd
gesetzt, als Frauke neu zu diesem Team gestoßen war. Er hatte sich eifrig am
Mobbing gegen Frauke beteiligt und ihren Vorgänger, Hauptkommissar Bernd
Richter, unterstützt. Natürlich hatte Putensenf nicht wissen können, dass
Richter bestochen worden war und ihren gemeinsamen Kollegen, Kommissar Lars von
Wedell, kaltblütig während eines Einsatzes auf dem Gelände der Hannover Messe
erschossen hatte.
Jetzt saß Richter in Untersuchungshaft und schwieg beharrlich.
Bisher hatte er sich weder zur Tat noch zum Motiv, schon gar nicht zu den
Auftraggebern geäußert. Und die liefen immer noch frei herum.
»Was macht keinen Sinn?«, hatte Madsack gefragt.
»Dass Bassetti die Taten einräumt. Er weiß, dass er dafür bestraft
wird. Dass es sich um Mord und nicht um Totschlag handelt, dürfte ihm auch
Dottore Carretta verständlich gemacht haben. Das Strafmaß dafür ist
›lebenslänglich‹. Selbst bei guter Führung könnte Bassetti frühestens nach
fünfzehn Jahren entlassen werden. Und wenn das Gericht die besondere Schwere
der Schuld feststellt, dann ist ihm selbst diese Chance verwehrt. Warum nimmt
der junge Mann die Schuld freiwillig auf sich?«
»Ich könnte es mir vorstellen«, hatte Madsack geantwortet.
»Ich auch. Mit seinem Schuldanerkenntnis hoffen die Hintermänner,
dass wir von der Suche nach ihnen Abstand nehmen. Sind die wirklich so naiv?«
»Nach seinem anfänglichen harten Leugnen trat bei Bassetti der
Gesinnungswandel ein, nachdem er mit seinem Anwalt gesprochen hatte.«
»Was mag ihm Dottore Carretta zugeflüstert haben?«, hatte Frauke
überlegt. Zu einem Ergebnis waren sie und Madsack nicht gekommen.
Es hatte keinen Sinn, Bassetti
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