Niedersachsen Mafia
brechen
würde. Es war nicht nur das Wissen, dass Gewalt gegen in Gewahrsam genommene
Personen die eigene Position erheblich schwächen würde. Frauke empfand eine
tiefe Abneigung gegen Gewalt, selbst wenn sie sich gegen einen heimtückischen
Mörder wie Richter wandte.
Da Schwarczer gleichzeitig Richters Schulter nach hinten drückte,
musste das an mehreren Stellen höllische Schmerzen bereiten.
Richter schrie auf. Als der junge Kommissar seinen Griff etwas
löste, stöhnte der ehemalige Polizist.
»Das werden Sie teuer zu spüren bekommen«, drohte Richter, während
Speichel aus seinem Mundwinkel auf die Tischplatte lief. »Sie werden das nicht
überleben.« Dabei versuchte er, Frauke anzusehen. Prompt fiel ihr wieder die
Todesdrohung ein, die sie erhalten hatte. Wusste Richter davon? Oder war es
eine leere Phrase?
»Und dem glatzköpfigen Knochenbrecher wird es nicht besser ergehen«,
schob Richter hinterher.
Schwarczer hatte sich nur kurz bewegt. Urplötzlich stieß Richter
erneut einen Schmerzensschrei aus. Frauke hatte nicht sehen können, was der
Kommissar getan hatte. Ihr missfiel das. Sie wollte ihn aber nicht in Richters
Gegenwart maßregeln. Deshalb nickte sie Schwarczer unmerklich zu, sodass er
Richter freigab.
Hasserfüllt sah der ehemalige Polizist die beiden Beamten an,
während er sich abwechselnd das Jochbein und die Schulter rieb. Dann ließ er
sich widerstandslos abführen.
Frauke schaltete das Aufnahmegerät aus, bevor sie Schwarczer anfuhr.
»Das machen Sie nicht noch einmal. Ist das klar? So etwas gibt es nicht bei
mir. Sonst sind Sie die längste Zeit Polizist gewesen.«
Thomas Schwarczer hielt ihrem Blick stand. In seinem Gesicht zuckte
kein einziger Muskel. Weder kommentierte er Fraukes Rüge, noch bestätigte er
durch eine Geste, dass er den Vorwurf akzeptierte.
Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, verließ Frauke den
Verhörraum. Auf dem Flur schüttelte sie den Kopf und dachte voller Wehmut an
Flensburg, an das dortige Kommissariat 1 ,
dessen Leiterin sie gewesen war, und an den Respekt und die Wertschätzung, die
man ihr bei der Landespolizei Schleswig-Holstein entgegengebracht hatte.
Hannover – noch konnte sie sich mit Niedersachsens Landeshauptstadt nicht
anfreunden. Das lag nicht nur an ihren drei Mitarbeitern, von denen keiner
ihren Vorstellungen von einem Polizisten gerecht wurde, sondern auch daran,
dass sie immer noch in einem kargen Hotelzimmer lebte und kein Zuhause hatte.
Sie musste sich dringend nach einer Wohnung umsehen, beschloss sie, erschrak
aber gleichzeitig bei dem Gedanken. Mit einer Wohnung in Hannover würde sie
sich fester an diese Stadt binden. Dagegen sträubte sich ihr Inneres, obwohl
sie gar keine andere Alternative hatte.
In ihrem Büro ließ sie das Verhör noch einmal Revue passieren. Mit
Sicherheit gab es Verbindungen zu den Hintermännern, die auch den Mord an
Manfredi beauftragt hatten. Die Polizei hatte den Faden zu einer kriminellen
Vereinigung geknüpft, die lukrative Geschäfte abwickelte und das Geld durch
legale Transaktionen wusch. Hätte Manfredi nicht versucht, Privatgeschäfte zu
betreiben, würde möglicherweise der einträgliche Handel mit den gefälschten
Lebensmitteln nach Saudi-Arabien und dem Rauschgift weiter florieren. Es tat
der Organisation sicher weh, diesen profitablen Weg verloren zu haben. Es
musste eine große und mächtige Organisation mit weitreichendem Einfluss sein,
dass es ihr gelungen war, einen Polizisten als Mörder zu dingen und Simone
Bassetti so unter Druck zu setzen, dass er die beiden Morde bereitwillig auf
sich nahm, auch wenn es ihn lange Jahre ins Gefängnis bringen würde.
Dass die Polizei nach den Morden ermitteln würde, musste auch den
Paten im Hintergrund klar sein, überlegte Frauke. Deutschland war nicht
Italien, wo möglicherweise Ermittlungen verhindert werden konnten. Es gehörte
zum Risiko der Organisation, dass ein Geschäftszweig aufflog. Daraus entstand
kein persönlicher Hass gegen die mit der Aufklärung befassten Polizisten. Es
musste etwas anderes sein, weshalb man sie persönlich mit dem Tod bedrohte.
Sie sah auf die Uhr. Es war Zeit, zu Mittag zu essen. Das Frühstück
im Hotel war nicht schlecht, aber es wiederholte sich jeden Morgen. Sie wollte
nicht in der Kantine des Landeskriminalamts essen. Sie würde allein an einem
Tisch sitzen und möglicherweise Mitarbeitern ihres Teams begegnen.
Team! Sie lachte bitter auf. Ein Team waren sie nicht.
Es war ein angenehmer
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