Niedersachsen Mafia
Tisch geschlagen. »Hören
Sie doch auf mit dieser Psychoscheiße.«
Der ehemalige Hauptkommissar verhielt sich nicht anders als alle
anderen Verdächtigen, denen Frauke oft genug gegenübergesessen hatte. Manche
waren gleich zusammengebrochen und froh, über ihre Tat sprechen zu können. Das
Reden befreite sie von einer zentnerschweren Last. Andere versuchten zu
leugnen, ihre Unschuld zu beteuern. Unter Druck standen sie alle. Auch Richter,
der Profi. Frauke erkannte es an seinem Verhalten, an seiner Mimik und seinen
Gebärden, vor allem aber an seiner Sprache. Sie war fast ins Vulgäre
abgeglitten. So hatte er nicht gesprochen, als er noch ihr Teamleiter war. Für
sie gab es keinen Zweifel an Richters Schuld. Aber für die Beweisführung vor
Gericht bedurfte es noch weiterer Argumente. Ein guter Anwalt würde das, was
die Polizei bisher zusammengetragen hatte, zu zerpflücken suchen.
»Wer vertritt Sie rechtlich?«, fragte Frauke unvermittelt.
»Verdammte Scheiße. Ich brauche keinen Anwalt. Ich habe nichts
getan!«
»Warum hat man Sie beauftragt, Lars von Wedell zu töten?«,
wiederholte Frauke beharrlich.
Richter schüttelte verächtlich den Kopf und gab einen
undefinierbaren Zischlaut von sich. Dabei floss etwas Speichel aus seinem
Mundwinkel. Er wischte ihn mit dem Handrücken ab. Leichte Schweißperlen zeigten
sich auf seiner Stirn. Es waren die Reaktionen, die man in Amerika mit dem
Lügendetektor nachweisen konnte.
»Machen Sie es sich und uns einfacher. Nennen Sie uns den Namen
Ihres Auftraggebers. Sie kennen die Prozedur. Wir werden Ihre Telefonkontakte
prüfen und nachvollziehen, alle Kontenbewegungen kontrollieren, uns in Ihrem
sozialen Umfeld umhören. Natürlich dauert es etwas länger. Herausbekommen
werden wir es bestimmt.«
An seinem Mienenspiel erkannte Frauke, dass Richter ihr folgen
konnte. Natürlich weiß er, wie seine Chancen stehen, dachte Frauke. Schließlich
ist er Insider. Mit gleichförmiger, fast monotoner Stimme hakte sie deshalb
nach.
»Herr Richter, es bringt Sie nicht weiter. Letztlich quälen Sie sich
nur.«
Der ehemalige Polizeibeamte nagte an seiner Unterlippe. Er schien
mit sich zu ringen, sein weiteres Verhalten abzuwägen. Dann schüttelte er den
Kopf, als hätte er für sich selbst eine Entscheidung getroffen.
Frauke lehnte sich zurück.
»Nun – gut. Sie wissen, wie erfolgreich dieses Team arbeitet.« Sie
streckte den Zeigefinger aus und wies auf Richter. »Sie haben in dem Augenblick
verloren, als Sie den Abzug betätigten und den jungen Kollegen
niederstreckten.« Sie schwieg einen Moment. »Hmh«, überlegte sie dann laut.
»Wie schlecht fühlt man sich eigentlich, wenn man sein Herzblut in den Beruf
Polizist gelegt hat und dann zum Mörder wird? Beruf kommt von Berufung. Oder
war das für Sie nur Mittel zum Zweck? Haben Sie über diesen Weg Zugang zu
kriminellen Kreisen gesucht? War das Geld verlockend? Oder hat man Sie
erpresst?«
Frauke baute ihm damit eine Brücke. Aber Richter ging nicht darauf
ein. Sie musterte ihn eine Weile, bevor sie sich entschloss, ihn weiter zu
provozieren.
»Wie schmeckt der Rotwein, den Sie sich vom Blutgeld gekauft haben?
Können Sie noch ins Glas schauen? Oder sehen Sie darin das Blut, das Sie
vergossen haben?«
Richter sprang auf. »Hören Sie auf!«, schrie er und hielt sich
demonstrativ die Ohren zu.
»Sie sehen blass aus, Richter.« Frauke machte mit dem Zeigefinger
eine drehende Bewegung, als würde sie damit in seinen Eingeweiden bohren. »Das
drückt auf die Psyche. Was meinen Sie, wie lange Sie das durchhalten? Sie
können nachts nicht schlafen, schrecken auf. Das Essen bekommt Ihnen nicht. Sie
werden elendig vor die Hunde gehen. Immerzu wird Sie Ihr Gewissen daran
erinnern, dass Sie einen Menschen getötet haben.«
Plötzlich sprang Richter in die Höhe, beugte sich über den Tisch und
versuchte, Frauke zu fassen zu bekommen. Sie hatte ebenso schnell reagiert und
sich zurückgelehnt. Noch schneller war Thomas Schwarczer. Aus dem Stand heraus
schnellte er hoch, packte Richter am Kragen und zog ihn auf den Tisch. Dabei
drehte er den überraschten Mann auf die Seite und drückte mit dem Ellenbogen
auf das Jochbein, dass Richters Gesicht auf der Tischplatte zum Liegen kam.
Schwarczer winkelte den Arm etwas an, sodass die Spitze seines Ellenbogens noch
kräftiger drückte.
Frauke glaubte, ein leichtes Knacken zu hören. Sie war im Begriff,
Schwarczer zurückzurufen, bevor er dem Inhaftierten einen Knochen
Weitere Kostenlose Bücher