Niedersachsen Mafia
erneut zu vernehmen, wenn sie ihn
nicht mit weiteren Beweisen konfrontieren konnten, überlegte Frauke. Deshalb
wollte sie Bernd Richter verhören, der den Mord an von Wedell hartnäckig
bestritt. Sie rief in der Bereitschaft an und ließ den ehemaligen
Hauptkommissar in den Verhörraum bringen. Dann suchte sie Madsacks Büro auf.
Der Neue saß dem schwergewichtigen Hauptkommissar gegenüber und hörte
aufmerksam zu, während Madsack einen kurzen Überblick über den aktuellen Fall,
das Team und dessen Arbeitsweise gab.
»Schwarczer«, sagte Frauke betont knapp. »Ich will, dass Sie mich zu
einem Verhör begleiten.«
Ohne ein Wort zu sagen, stand der neue Mitarbeiter auf, blieb zwei
Schritte vor Frauke stehen und sah ihr in die Augen. Er hielt ihrem Blick
stand, bis Frauke sich abwandte.
»Gehen wir.«
Sie wechselten kein Wort, bis sie den Verhörraum erreicht hatten.
Bernd Richter sah auf, als die beiden Beamten eintraten. Er saß am
Tisch, hatte die Hände gefaltet und auf die Platte gelegt. Seine Augen lagen
tief in den Höhlen. Schwarze Schatten umspielten sie. Die Haare wirkten
ungewaschen, das Gesicht grau. Um die Mundwinkel zuckte es nervös.
Frauke schaltete das Aufnahmegerät ein, nannte Datum und Uhrzeit,
erwähnte die Anwesenden und begann zu fragen. »Herr Richter. Ihnen wird zur
Last gelegt, den Polizeibeamten Lars von Wedell bei einem Einsatz, den Sie
geleitet haben, auf dem Gelände der Hannover Messe heimtückisch von hinten
erschossen zu haben. Trifft das zu?«
»Blödsinn«, quetschte Richter zwischen den Zähnen hervor. Er öffnete
dabei kaum die Lippen.
»Warum haben Sie von Wedell ermordet?«
»So ein Quatsch. Wie kommen Sie dazu, solche Behauptungen
aufzustellen?«
»Wir haben Ihnen die Gründe, auf denen unser Verdacht beruht,
ausführlich dargelegt. Außerdem haben Sie es selbst zugegeben.«
»Das ist nicht wahr. Ihre ganze Argumentation beruht einzig darauf,
dass Sie auf meinen Job scharf waren. Jetzt haben Sie es erreicht. Aber mit
welcher Niedertracht. Dass Sie sogar einen Kollegen falscher Verdächtigungen
unterziehen … So viel Fiesheit hätte ich nicht erwartet.«
Frauke reagierte nicht auf die Anfeindungen. Aus den Augenwinkeln
nahm sie wahr, dass Schwarczer ebenfalls ohne jede Regung neben ihr saß und die
Augen leicht zusammengekniffen hatte.
»Wer ist das?«, fragte Richter und zeigte mit den gefalteten Händen
auf den Kommissar.
»Herr Schwarczer. Er ist neu im Ermittlungsteam organisierte
Kriminalität.«
Richter beugte sich in Richtung des Kommissars.
»Hat man Sie gewarnt? Die Frau ist unberechenbar. Nicht nur
karriere-, sondern auch sonst geil.«
»Herr Richter! Mäßigen Sie sich in Ihrem Ton!«, fuhr Frauke
dazwischen.
Doch der ehemalige Hauptkommissar ließ sich nicht beruhigen. Seine
Stimme vibrierte. »Die geht über Leichen. Wer sagt denn, dass Sie nicht selbst
zur Waffe gegriffen haben, um mich auf diese Weise loszuwerden?«
Frauke ging nicht auf die Provokation ein. Sie verzichtete auf jede
Verteidigungsrede. Richter selbst hatte als Teamleiter dafür gesorgt, dass
Frauke weder einen Arbeitsplatz noch einen Dienstausweis, geschweige denn eine
Waffe erhalten hatte. Er hatte geblockt und sie gemobbt.
»Nennen Sie uns Ihre Auftraggeber und das Motiv. Weshalb musste Lars
von Wedell sterben?«
Für einen kurzen Moment schweiften Fraukes Gedanken ab. Vor ihrem
inneren Auge tauchte der fröhliche, unbekümmerte junge Polizist auf. Er hatte
sie nach Dienstschluss bis zum Kröpcke verfolgt. Dort hatte er ihr gestanden,
wie aufgeregt er vor seinem ersten großen Fall war. Er hatte ihr geschmeichelt
und seine Bewunderung ihrer Erfahrung und ihres Wissens kundgetan.
»Mensch! Wie oft soll ich das noch sagen. Es gibt kein Motiv und
keine geheimnisvollen Hintermänner. Ich habe niemanden erschossen. Das ist doch
hirnrissig.«
Schwarczer saß unbeweglich neben Frauke. Er hatte seine Hände auf
die Oberschenkel gelegt und musterte ihr Gegenüber.
»Ich muss Ihnen nicht erklären, dass ein Geständnis einen positiven
Eindruck auf das Gericht machen würde.«
»Sie sind doch total plemplem.« Richter tippte sich an die Stirn.
»Jemand, der wirklich so etwas getan hat wie das, was Sie hier
blödsinnigerweise vorbringen, wird doch wegen Heimtücke belangt. Der kommt nie
wieder aus dem Bau.«
»Erleichtern Sie Ihr Gewissen. Sie haben oft genug erlebt, wie
bedrückend eine solche Schuld auf einem Menschen liegen kann.«
Richter hatte mit der flachen Hand auf den
Weitere Kostenlose Bücher