Niedersachsen Mafia
sich zum Kriminalhauptmeister um, der einen halben
Schritt zurückgeblieben war, und wollte ihn maßregeln für sein respektloses
Verhalten vorhin, als Putensenf sie plötzlich an der Schulter packte und
zurückriss.
»Vorsicht!«, schrie er laut.
Frauke wusste im ersten Moment nicht, was geschehen war. Außerdem
war Putensenfs Griff schmerzhaft gewesen. Dann brauste der unbeladene
Gabelstapler mit den beiden Gabeln in Bauchhöhe aus der schmalen Gasse zwischen
hoch aufgetürmten Paletten mit unverminderter Geschwindigkeit an ihr vorbei.
Sie holte tief Luft und versuchte, ihr Erschrecken zu verbergen.
Wenn Putensenf nicht so schnell reagiert hätte, wäre sie dem Fahrzeug direkt
vor die Hubeinrichtung gelaufen.
»Danke, Herr Putensenf«, stammelte sie.
Der Kriminalhauptmeister grinste breit. Das »Herr« war bei ihm
angekommen. Dennoch konnte er sich nicht verkneifen, anzumerken: »Es hat seinen
Grund, weshalb ich behaupte, dass dieser Job nichts für Frauen ist.«
Frauke verzichtete auf eine Antwort. Während sie schweigend zum
Landeskriminalamt zurückfuhren, dachte Frauke wieder an die gegen sie
ausgesprochene Todeswarnung.
Frauke war nur kurz an ihren Arbeitsplatz geeilt. In der
Zwischenzeit waren weder schriftliche Neuigkeiten noch elektronische
Nachrichten eingetroffen. Sie bat Madsack, Erkundigungen über den italienischen
Importeur und den Geschäftsführer einzuholen. Dann ging sie zum Kröpcke.
Unterwegs besorgte sie sich im Bahnhof die aktuelle Ausgabe der Hannoverschen
Allgemeinen.
Alle Plätze des Straßencafés waren besetzt.
»Darf ich mich zu Ihnen setzen?«, fragte sie eine ältere Dame.
»Ich erwarte eine Bekannte«, antwortete die Frau pikiert und sah
Frauke böse an, als sie sich trotzdem niederließ. »Muss das sein?«, regte sich
die Frau auf, als Frauke die Zeitung auf den Tisch legte.
»Wir haben das alles im Griff«, erwiderte Frauke und war froh, dass
sie durch die Bedienung abgelenkt wurde. Wenig später schritt ein Mann mit
rundem Gesicht, Hornbrille und Halbglatze suchend durch die Tischreihen. Frauke
wedelte diskret mit der Zeitung. Ein erkennendes Nicken des Mannes bestätigte,
dass es der erwartete Besucher war.
»Eberlein«, stellte er sich vor und fragte: »Darf ich?«, bevor er
sich einen Stuhl zurechtschob.
»Das geht aber zu weit«, monierte die ältere Dame.
»Neben Sie bitte Platz«, forderte Frauke Eberlein auf und ignorierte
den Einwand.
»Es freut mich, dass Sie sich für die Wohnung interessieren«, begann
der Vermieter und wollte noch einmal die Vorzüge der Räumlichkeiten anpreisen.
Frauke winkte ab. »Das habe ich alles gesehen. Ab wann ist die
Wohnung frei?«
»Wann Sie möchten.«
Das signalisierte Frauke, dass es offenbar nicht zu viele
Interessenten gab. »Morgen?«
Eberlein zeigte sich überrascht.
»Ich wohne in einem Hotel und würde gern kurzfristig einziehen.«
»Ich hätte zuvor noch ein paar Fragen an Sie. Wollen Sie dort allein
wohnen? Haustiere? Wo haben Sie zuletzt gewohnt? Dann bräuchte ich einen
Einkommensnachweis.«
»Ich bin Beamtin«, erklärte Frauke.
»Das reicht mir. Damit hat sich alles erledigt«, erklärte Eberlein.
»Herr Guggenberger wird den Mietvertrag ausfertigen und mit Ihnen besprechen.«
»Den habe ich gestern genossen. Auf eine weitere Begegnung lege ich
keinen Wert.«
»Ja, aber …«, versuchte Eberlein einzuwenden.
Doch Frauke blieb hartnäckig.
»Schön. Treffen wir uns morgen früh in der Wohnung. Ich werde den
Vertrag mitbringen und Ihnen die Schlüssel aushändigen. Aber«, druckste
Eberlein herum, »zuvor müssten wir das mit der Kaution klären.«
Frauke ließ sich von Eberlein dessen Personalien geben und
versprach, sofort ein Kautionssparbuch über die Höhe anzulegen und die
geforderte erste Miete am nächsten Morgen in bar zu begleichen.
Eberlein übernahm die Rechnung, und Frauke suchte die nächste
Sparkassenfiliale auf, um die notwendigen Aktivitäten zu veranlassen.
Dann kehrte sie ins Büro zurück, besuchte Madsack an dessen
Arbeitsplatz und informierte Schwarczer, dass sie mit ihm in fünf Minuten nach
Lüneburg aufbrechen wollte.
Die Fahrbereitschaft hatte ihnen einen Opel Vectra zur Verfügung
gestellt. Thomas Schwarczer hockte auf dem Beifahrersitz und starrte durch die
Windschutzscheibe nach vorn. Unterwegs informierte Frauke den Kommissar über
das Wenige, was sie bisher über Buggenthins Tod wussten. Er nahm das
kommentarlos zur Kenntnis.
»Sind Sie immer so schweigsam?«,
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