Niedersachsen Mafia
Moment und
betrachtete sich.
Ob das dem jungen Mann, der sie gestern bis zum Kröpcke verfolgt
hatte, gefallen würde, was sie dort sah? Sie empfand kein schlechtes Gewissen
bei dem Gedanken an den Mann. Nirgendwo stand geschrieben, dass eine Polizistin
nicht auch ein Privatleben haben durfte. Und nachdem »dieser Teil« des Lebens
in ihrer Ehe schon lange tot war, hatte sie sich die Freiheit genommen, sich
den Kontakt zu Männern zum »Wohlfühlen« nicht zu versagen. Sie wusste, dass in
Flensburg hinter ihrem Rücken darüber getuschelt wurde. Als selbstbewusste Frau
wollte sie aber nicht wie zu Großmutters Zeiten brav auf einem Stuhl in der
Tanzstunde hocken und warten, bis sich jemand ihrer erbarmte. Deshalb nahm sie
sich vor, bei der nächsten Gelegenheit das Antwortlächeln nicht zu
unterdrücken.
Nach dem Ankleiden nahm sie das Frühstück ein, verzichtete aber auf
das Umsetzen ihres Vorsatzes im Frühstücksraum, der von Männern dominiert
wurde. Es war jenes abschätzende Betrachten der Herren, der Hauch Enttäuschung,
dass man diesem Opfer am Tag der Abreise und nicht am Vorabend begegnet war.
Nein! Sie wollte sich ihr »Vergnügen« selbst aussuchen.
Fast beschwingt ging sie durch die morgendliche Kühle das kurze
Stück zum Landeskriminalamt. Immerhin wurde sie vom Mitarbeiter am Empfang
begrüßt, nicht mit Namen, aber mit einem professionellen »Guten Morgen«.
Hauptkommissar Madsack war schon im Büro. Sie begrüßten sich.
»Hat Herr Schwarczer alles, um bei uns mitarbeiten zu können?«,
fragte sie.
Madsack nickte. »Es gibt nur ein kleines Problem mit dem
Arbeitsplatz. Die Hausverwaltung kann uns nur einen Schreibtisch in der Etage
über uns anbieten.«
»Wieso? Bei Putensenf ist noch Platz.«
Madsack räusperte sich. »Daran hatte ich auch gedacht. Aber Jakob
weigert sich.«
»Der wird nicht gefragt«, entschied Frauke. »Ich möchte mein Team
nicht im ganzen Amt verstreut haben. Schwarczer und Putensenf werden sich das
Büro teilen.«
»Von mir aus«, meinte Madsack, dem anzusehen war, dass er Putensenf
diese Nachricht nur ungern überbringen würde.
»Gibt es Neuigkeiten aus Lüneburg?«
»Nein. Nur das, was wir gestern erfahren haben.«
»Ich möchte mir Buggenthins Wohnung persönlich ansehen«, sagte
Frauke. »Doch zuvor will ich dem Großmarkt einen Besuch abstatten.«
Madsack sah sie fragend an.
»Ich habe einen Tipp bekommen. Dort soll jemand arbeiten, der sich
gelegentlich mit Simone Bassetti getroffen hat.«
»Woher stammt der Hinweis?«
»Eine vage Vermutung«, wich Frauke aus. »Während Sie hier die
Stellung halten, werde ich Putensenf mit zum Großmarkt nehmen.«
»Wie geht es mit Richter und Bassetti weiter?«
»Ich bitte Sie, Bassetti zu verhören. Richter lassen wir heute
schmoren. Den knöpfe ich mir morgen persönlich vor.«
Der Hauptkommissar nickte zustimmend und hielt Frauke eine Tüte mit
Vitaminbonbons hin. Sie lehnte dankend ab.
»Morgen, Putensenf«, sagte sie zwei Räume weiter. »Kommen Sie. Wir
wollen zum Großmarkt.«
»Warum das?«, antwortete der Kriminalhauptmeister und nahm einen
Schluck Kaffee.
»Muss ich das begründen? Also los.«
Putensenf folgte ihr missmutig und zwängte sich wie
selbstverständlich hinter das Lenkrad des Passat. Frauke ließ ihn gewähren, da
Putensenf sich in Hannover besser auskannte als sie.
Der Hauptkommissar unterquerte die Eisenbahnbrücke, fuhr über die
Arndt- und Schloßwender Straße bis zum belebten Königsworther Platz und reihte
sich mit der Kenntnis des Einheimischen in die richtige Fahrspur zum Abbiegen
in die Königsworther Straße ein. Eine große Plastik, die Frauke an
auseinanderfallende Mikadostäbe erinnerte, dominierte hier den mittleren
Grünstreifen. Kurz darauf fuhren sie am Ihmezentrum vorbei, das seinerzeit als
epochales Objekt im Städtebau hochgepriesen worden war und heute im
heruntergekommenen Zustand einen sozialen Brennpunkt darstellte. Der Weg führte
weiter durch lebhafte Vorstadtstraßen mit bunten Geschäften, die kurz nach dem
Deisterplatz einem großen Gewerbegebiet wichen. Hier war einer der
bedeutendsten und traditionsreichsten Industriebetriebe Hannovers beheimatet:
Hanomag. Kurz nach der Brücke beim Containerbahnhof Linden bog Putensenf links
ab. Auf der einen Seite zogen sich die Gebäude einer bekannten Brotfabrik an
der Straße entlang, gegenüber waren Verbrauchermärkte beheimatet.
»Ich habe einen Tipp bekommen«, erklärte Frauke unterwegs. »Wir
suchen einen
Weitere Kostenlose Bücher