Niedersachsen Mafia
Giancarlo.«
»Das ist nicht Ihr Ernst«, sagte Putensenf spöttisch. »Auf dem
Großmarkt arbeiten etwa siebenhundert Leute. Und Sie …«, er schlug dabei aufs
Lenkrad, »wollen mal eben mit Giancarlo sprechen. Wie heißt er denn mit
Zunamen?«
»Bestimmt nicht Putensenf. Also beschränken wir uns auf Italiener.
Sonst noch Fragen?«
Der Kriminalhauptmeister verzichtete auf eine Antwort. Er bog von
der Straße Am Tönniesberg in die Zufahrt zum Großmarkt ein. Ein großes Schild
verkündete diverse Ge- und Verbote. Von der Geschwindigkeitsbeschränkung auf
zehn Stundenkilometer und dem Hinweis auf die Straßenverkehrsordnung über das
Gebot, dass Gabelstapler Vorfahrt haben, bis zum mahnenden Hinweis, dies wäre
ein Privatgelände und es würden Videoaufzeichnungen gemacht, fehlte nichts,
wenn man von der Ermahnung, den Abfall zu entsorgen, absah. Ein
Pförtnerhäuschen und eine herabgelassene Schranke stoppten ihre Fahrt.
»Sie dürfen hier nicht rein«, sagte der Mann unfreundlich.
»Wetten doch«, erwiderte Putensenf.
»Haben Sie eine Genehmigung? Dies ist Privatgelände.«
»Wo wir sind, hört das Private auf.« Er zeigte ihm seinen
Dienstausweis.
»Das ist kein Grund. Was wollen Sie denn?«
»Das werde ich nicht mit Ihnen diskutieren. Nun öffnen Sie sofort,
oder wir setzen uns mit der Geschäftsleitung in Verbindung.«
Widerwillig gab der Mann die Zufahrt frei, nicht ohne dabei noch ein
paar unflätige Bemerkungen hinterherzuschicken.
Vis-à-vis der Einfahrt befand sich ein großer, überdachter
Parkplatz.
»Lassen Sie es uns dort versuchen«, schlug Frauke vor.
Es herrschte ein unglaubliches Durcheinander. Auf den ersten Blick
schien es, als würden sich Menschen, Gabelstapler, Leute mit Sackkarren und
anderen Gefährten planlos wie in einem Bienenstock bewegen.
Putensenf breitete die Arme aus. »Jeder von denen könnte Giancarlo
heißen. Wollen wir die einzeln fragen?«
»Sie sind destruktiv. Stellen Sie sich nicht dümmer an, als Sie
sind.«
Putensenf brummte etwas Unverständliches und ging auf den
nächstbesten Stand zu.
»Morgen«, grüßte er einen Mann mit grauen Haaren, der mehrere Kiepen
mit Salat von einer Palette nahm und sie auf einen Rollwagen stellte. »Kennen
Sie Giancarlo?«
»Giancarlo Rossi?«
»Kennen Sie noch andere?«
Der Mann fuhr sich mit dem Hemdsärmel über die Nase. »Nee.«
»Wo finde ich Rossi?«
Er überlegte kurz. »Hier runter. Drei Stände weiter. Links.
Italienimport.«
Putensenf tippte zum Dank mit dem Zeigefinger gegen die Schläfe. Ein
Stück weiter stießen sie auf ein Firmenschild, auf dem eine überdimensionale
italienische Flagge prangte. Unter dem Grün-Weiß-Rot stand in großen Buchstaben
»Italienimport«, darunter etwas kleiner »Obst-Gemüse-Südfrüchte«. Es wurde
ergänzt durch eine Telefonnummer, eine Mailadresse und einen Link zu einer
Website.
»Fällt Ihnen etwas auf?«, fragte Frauke und zeigte auf das Schild.
Putensenf nickte. »Da steht kein Name.«
Ein Mann in typischer Arbeitskleidung lehnte gegen einen
Kistenstapel und rauchte.
»Wir suchen Herrn Rossi«, sagte Frauke.
»Chef da drin«, sagte der Arbeiter in unverkennbar türkischer
Klangfärbung und zeigte auf ein verglastes Büro.
Die Tür stand offen. An einem Computer war eine Frau damit
beschäftigt, etwas einzugeben. Sie sah kurz auf und sagte: »Guten Morgen.«
An den Wänden zogen sich meterweise Stahlregale entlang, die mit
Ordnern bestückt waren. Ein dunkel gelockter Mann mit einem blatternarbigen
Gesicht zog die Aufmerksamkeit der beiden Polizisten auf sich. Er hielt einen
Telefonhörer in der Hand und sprach in einer für deutsche Ohren unglaublichen
Geschwindigkeit in den Hörer. Am anderen Ohr hielt er ein Handy, in das er
abwechselnd ebenfalls hineinsprach.
Frauke vermochte nicht zu sagen, ob es südländisches Temperament war
oder der Mann sich über irgendetwas erregte. Er sah kurz die beiden Besucher
an, um sich dann weiter seinen beiden Telefonaten zu widmen. Nach einigen
Minuten hatte er das Gespräch beendet und wählte mit dem Daumen auf dem Handy
einen neuen Teilnehmer an. Erneut sprudelte es auf Italienisch aus ihm heraus.
Nachdem er auch dieses Telefonat abgeschlossen hatte, sprach er die Frau an:
»Johanna. Sind die Lieferscheine für Lehrte fertig? Und sag Karim, er soll
zusehen, dass er in die Gänge kommt.«
Das Mobilteil seines Festnetzanschlusses klingelte, und der Mann
setzte sich, diesmal auf Deutsch, mit einem unbekannten Teilnehmer
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