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Niedertracht. Alpenkrimi

Niedertracht. Alpenkrimi

Titel: Niedertracht. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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mangels Unibesuch reichlich unakademisch, aber dafür umso engagierter. Und dann, im Januar des Jahres 1973 hatte der Werdenfelser Imker zur Feder gegriffen und mit deutscher, strenger Schrift und mit der übergroßen Naivität, die manchmal zum großen Erfolg führt, einen Brief nach Stockholm geschrieben.
     
    »– um Antwort wird gebeten – der Schratzenstaller Alois aus dem Loisachtal!«, hatte er nach der Vorstellung seiner Werdenfelser Insektenart geschrieben, aber es kam keine Antwort vom
Karolinska Medikokirurgiska Institutet
in Stockholm, das war auch auf Eigenbewerbungen für den Nobelpreis nicht so direkt eingestellt. Im Jahre 1973 wurde Schratzenstaller auch nicht berücksichtigt, den Preis für Physiologie bekamen: der Ritter von Frisch (Bienen), Konrad Lorenz (Graugänse) und Nicolaas Tinbergen (Odinshühnchen) – nichts wurde es mit einer
Nematocera schratzenstalleri
. Schratzenstaller senior schrieb ähnliche Briefe an biologische Institute, Forschungseinrichtungen, Universitäten – kein Interesse.
    »Ein bisserl lateinischer musst du es machen, Schratzi«, hatten ihm seine Schafkopffreunde empfohlen. Aber auch mit ein paar biologischen Termini lief nichts. Vielleicht beherrschte auch niemand von den Adressaten die deutsche Schrift. Einer der Schafkopfer riet ihm schließlich, sich ans Militär zu wenden. Die vom Militär sollen – trotz allen zuwiderlaufenden Vorstellungen – die Flexibelsten und Unbürokratischsten sein. Das tat er. Er bot dem deutschen MAD , dem österreichischen HAA und sogar dem Schweizer SND sein fliegendes und summendes Ortungssystem an. Aber damals, in den Anfangszeiten des Computers, als man alles, was nicht digital war, als steinzeitlich abgetan hatte, hielt man solch einen analogen Vorschlag für eine abwegige Idee. Überall grünten und blühten Bits und Bites, darüber starb Schratzenstaller senior.
     
    Alois Schratzenstaller junior hatte die Briefe seines Vaters gelesen. Und er hatte mit ein paar Spezis darüber gesprochen. Dann war dieser Mann bei ihm aufgetaucht und hatte sich interessiert gezeigt. Der Mann wollte seine Identität nicht preisgeben. Es war kein Vertreter einer großen Firma oder gar ein Staatsbeamter, so einen hätte Schratzenstaller erkannt, gezielt beleidigt und anschließend hinausgeworfen. In den letzten Jahren waren sie ihm hauptsächlich damit auf die Nerven gefallen, dass sie eine Biathlon-Loipe quer durch das Grundstück der ehemaligen Imkerei legen wollten. Für irgendwelche Olympischen Spiele, Weltmeisterschaften oder ähnlichen Quark. Durch die Stätten seiner Kindheit! Der Bürgermeister, der Gemeinderat Toni Harrigl, eine juristische Schnepfe vom Freistaat Bayern – sie alle hatten gebettelt, am Ende sogar gedroht. Das hatte endgültig den Rebellen in ihm geweckt, den Räuber Kneißl des Oberlandes. Schratzenstaller war, wie gar nicht so wenige Alpenländler, im tiefen Inneren Anarchist, Gegner jeglicher Staatswillkür und Feind größerer Zusammenballungen von Kapital, Schwerindustrie und preußischem Ordnungszwang. Dieser Mann aber hatte um Diskretion gebeten, die hatte Schratzenstaller ihm zugesichert. Und der Mann hatte ihm viel geboten. Nicht nur Geld. Sondern Hilfe bei seinem Kampf gegen die Vertreter der Öffentlichen Ordnung.
    Jetzt lag Alois Schratzenstaller auf dem neuen Bett mit dem schönen Namen
Träumereien
, und er wartete auf die, die sich als die ›Investoren‹ bezeichnet hatten. In Situationen, in denen jeder andere ein ungutes Gefühl gehabt hätte, verspürte Schratzenstaller ein gutes. Sogar ein sehr gutes.

13
    Jauchzender Pheromon-Ausstoß eines Insekts bei Entdeckung einer Futterstelle
    Hubertus Jennerwein schlenderte noch eine Weile herum in der Fußgängerzone des Kurortes: Trachtenmodegeschäfte, Trachtenmodegeschäfte, Trachtenmodegeschäfte. Er brauchte aber keine todschicke Lederhose mit handvernähtem Ludwig-I-Eingriff und Hosenträgern in Wittelsbacher Blau. In einer Viertelstunde begann die Besprechung. Noch konnte man ja nicht hundertprozentig sagen, ob ein Verbrechen vorlag – oder nicht doch einer von den vielen Bergunfällen, die in dieser Gegend zum Alltag zählten. Die Nachforschungen in den Datenarchiven des BKA hatten ergeben, dass derzeit niemand als vermisst gemeldet war, auf den das Profil dieses Mannes zutraf. Wieder einmal so ein armes Würstchen, dessen Verschwinden auch nach sechs Wochen überhaupt nicht auffiel?
     
    »Hallo, Herr Kommissar!«
    Vor ihm stand Michelle, das

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