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Niedertracht. Alpenkrimi

Niedertracht. Alpenkrimi

Titel: Niedertracht. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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vierzehnjährige Girls’-Day-Girl, das Pathologin werden wollte.
    »Sind Sie schon weitergekommen mit dem vertrockneten Mann?«
    »Wenn Du mich so direkt fragst: nein.«
    »Überhaupt nicht?«
    »Wir sind ja erst am Anfang der Ermittlungen. Bis alles untersucht ist, dauert es schon seine Zeit.«
    »Wie lange dauert so etwas?«
    »Oft ein paar Wochen. Manchmal Jahre.«
    »Wissen Sie schon, wo er die Sauce béarnaise gegessen hat?«
    »Nein, da haben wir noch nicht weitergeforscht. Wir müssen zuerst einmal die Todesursache ermitteln.«
    Michelle schien enttäuscht zu sein. War die ganze Aktion im
Pfanndl
umsonst gewesen? Sie konnte dem Kommissar ja schlecht auf die Nase binden, dass sie heimlich ein Foto von der Leiche geschossen und damit im Sternerestaurant für einigen Aufruhr gesorgt hatte.
    »Und dass er Hans heißt«, fuhr sie fort, »und dass er eine Freundin hat, die Evi heißt, das nützt auch nichts?«
    »Wenn man sonst noch gar nichts weiß, nützt das leider nichts. Was meinst du, wie viele Leute es gibt, die Hans und Evi heißen!«
     
    »So viele sind es wahrscheinlich gar nicht«, sagte Michelle listig.
    »Wie kommst du denn da drauf?«
    »Der Müller, unser Mathelehrer, hat uns das ausgerechnet. Das heißt: Er hat uns eine ganze Stunde damit gequält, wie man das ausrechnet.«
    »Dann erzähl mal.«
    »Also, die Frage war: Wie viele Leute gibt es, die erstens Hans heißen, zweitens eine Freundin mit Namen Evi haben, drittens um die dreißig sind, viertens ab und zu mal auf den Berg klettern und fünftens keine Familie haben.« »Warum fünftens?«, fragte Kommissar Jennerwein.
    »Nach so langer Zeit hätte sich doch die Familie gemeldet, oder?«
    »Das ist eine gute Schlussfolgerung. Willst du nicht lieber zur Polizei gehen anstatt Pathologin zu werden? Pathologinnen gibt es inzwischen wie Sand am Meer.«
    »Tatsächlich?«
    Jennerwein nickte. Seit der deutschen Erstausstrahlung von Quincy, spätestens aber seit CSI konnten sich die Universitäten gar nicht mehr retten vor Pathologinnen. Pathologinnen quollen frühmorgens aus den Bussen, Pathologinnen verstopften die Hauptverkehrsstraßen, es war inzwischen kaum mehr möglich, eine Frau kennenzulernen, die den Leichenöffnungs-Y-Schnitt nicht drauf hatte. Und die Wahrscheinlichkeit, nach dem Verschlucken einer Fischgräte im Restaurant und dem klassischen Ruf
Ist ein Arzt im Lokal
? von einer Pathologin versorgt zu werden, war ausgesprochen hoch.
    »Also«, fuhr Michelle fort, »erst haben wir gegoogelt, wie viele Jungs vor dreißig Jahren auf die Namen Hans, Johannes, Johann, Hänschen und so weiter getauft wurden. Das war ja noch ganz interessant.«
    »Und?«
    »Na, raten Sie mal?«
    »Weiß nicht.«
    »Es gibt zweihundertfünfzigtausend Hänse im deutschsprachigen Raum.«
    »Evis?«
    »Sechzigtausend.«
    »Da hätte ich auf mehr getippt.«
    »Das war ja noch ganz knitz, das rauszugoogeln. Aber jetzt kommt der Müller mit einer Riesenformel daher, damit hat er fast die ganze Tafel vollgeschrieben. Die Dufont’sche Gleichung oder so ähnlich.«
    »Dufont’sche Gleichung? Kenne ich nicht.«
    »Aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Haben Sie bestimmt vergessen, ist ja schon lange her bei Ihnen. Fünf Millionen Dreißigjährige bei hundert Millionen deutschsprachigen Leuten. Zweihundertfünfzigtausend Hänse und sechzigtausend Evis, zwei Millionen Bergliebhaber und achthunderttausend Familienlose.«
    »Und mit dieser Dufont’schen Gleichung –«
    »– kann man ausrechnen, dass es im deutschsprachigen Raum nur achtzig oder neunzig Stück solcher dreißigjährigen Hänse geben kann.«
    »Das ist schön, aber damit weiß ich natürlich nicht, wo die alle sitzen.«
    »Sag ich doch, dass der Müller mit seiner Dufont’schen Gleichung ein Idiot ist. Und vielleicht ist alles ja auch ganz anders.«
    »Nämlich?«
    »Nämlich dass es gar kein Liebespaar Hans & Evi gibt. Vielleicht hat sich dieser Hans nur gewünscht, dass die Evi seine Freundin ist. Vielleicht ist es eine frühere Freundin, die gar nichts mehr von ihm weiß. Die ihn einfach vergessen hat.«
    Da hatte sie recht. Man sollte sich nicht in unleserliche Tattoos auf vertrockneten Leichen verrennen.
     
    »Wird er eigentlich irgendwann beerdigt? Auch wenn man überhaupt nichts herausfindet?«
    »Wenn wir ihn nicht identifizieren können, wird er anonym beerdigt.«
    »Und was steht dann auf dem Grabstein?«
    »Man könnte doch
Hans
draufschreiben.«
    »Aber das weiß man doch nicht

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