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Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Titel: Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Peter Fischer
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Ben-Gurion zu Gast hatten, konnten sie den Platz gut gebrauchen, schließlich mussten inzwischen sechs Söhne untergebracht werden; bis 1928 waren Aage, Ernest und Harald hinzugekommen. Und die Familie wuchs weiter, rechnet man die Enkel hinzu.
    Seit die Familie übrigens im »Haus der Ehre« wohnte, musste Niels Bohr täglich eine Wegstrecke von mehr als sechs Kilometern zur Arbeit – zum Institut am Blegdamsvej – bewältigen. Bohr nutzte dazu bei jedem Wetter ein Fahrrad. Sein Weg führte an Binnengewässern vorbei, und wenn man ihn heute abschreitet, kommt man an einem Museum (Bakkehusmuseet) vorbei, das in den Wohnräumen unterbracht ist, in denen im frühen 19. Jahrhundert Kamme und Knud Lyne Rahbeck gelebt haben. Das dänische Dichterehepaar ermöglichte in den Tagen der europäischen Romantik in diesen Räumen das Goldene Zeitalter des kulturellen Lebens in Kopenhagen, indem es Autoren und Forscher zu literarischen und wissenschaftlichen Gesprächen und Lesungen einlud.
    Über das Familienglück der Bohrs legten sich jedoch einige Schatten, zwei der Söhne starben vor ihren Eltern. Der Erstgeborene, Christian, ging 1934 bei einer Segeltour auf rauer See über Bord – vor den Augen des entsetzten Vaters, den man mit Gewalt davon zurückhalten musste, in die bedrohlichen Fluten zu springen. Der
Nachkömmling Harald erkrankte schon früh und starb in jungen Jahren. Derzeit lebt nur noch der jüngste, 1924 geborene Sohn Ernest.
    Niels Bohr fing seine Trauer über den Verlust der Kinder dem Vernehmen nach durch ein buddhistisches Märchen auf, das von der verwirrt wirkenden Kisagotami erzählt, die als Mutter mit einem toten Kind den Weg zu Buddha sucht, um ihn um die Heilung ihres gestorbenen Sohns zu bitten. Buddha sieht ihr Leiden und verspricht Hilfe. Dazu solle sie ihm Senfsamen aus dem Hause einer Familie bringen, in der noch niemand gestorben und kein Leid zu beklagen ist. Bei der anschließenden Suche begreift Kisagotami, warum sie nicht fündig wird. Sie erkennt, dass der Tod zum Leben gehört und die durch ihn mögliche Unbeständigkeit zu dem ewigen Kreislauf mit seinen Wiedergeburten beiträgt, an dem wir teilhaben.

Die späten Jahre
    Die großen wissenschaftlichen Beiträge von Niels Bohr stammen aus den Jahren 1913, 1922, 1927, 1936 und 1939 und befassen sich alle mit dem Verständnis der atomaren Struktur der Materie und ihrer Beständigkeit. Sie führen die Menschen damit in das Atomzeitalter, das für die Zeitgenossen zunächst sehr kühn und optimistisch klang, für uns heute aber eher düster und drohend wirkt. Bereits 1944 reagierte Bohr auf die Tatsache, dass sich nach der Entfesselung der Atomenergie und mit der militärischen Nutzbarkeit von Kernkraft das Verhältnis von Wissenschaft und Politik auf markante Weise geändert hatte. Aus seiner Sicht wurden besondere Maßnahmen nötig, um die durch den Zugriff auf die Atome entstandenen Probleme der Menschheit in den Griff zu bekommen, und im Kriegsjahr 1944 trug er den Staatsoberhäuptern Englands und der Vereinigten Staaten, Churchill und Roosevelt, seine Vorstellung einer »offenen Welt« vor. Bohr hielt die Gelegenheit für günstig, die politischen Gegensätze zwischen Ost und West zu überbrücken, wenn man nur rechtzeitig »eine im Geheimen vorbereitete Konkurrenz verhütet« und »bei allen industriellen und militärischen Planungen« mit restloser Offenheit vorgeht, wenn man alle nötigen Informationen austauscht und miteinander teilt. Bei diesem Vorschlag stand Bohr das Modell der internationalen Kooperation vor Augen, das an seinem Institut in Kopenhagen in den 1920er und 1930er Jahren funktioniert und größte Erfolge auf dem Gebiet der Atomphysik erzielt hatte.

    Bild 12
    Niels Bohr und seine Frau Margrethe mit ihren Söhnen, Schwiegertöchtern und Enkelkindern anlässlich des 70. Geburtstags des Physikers im Jahr 1955

    Bekanntlich haben Churchill und Roosevelt auf einen solchen Vorschlag nicht reagiert, was Bohr aber nicht daran hinderte, 1950 erneut zu versuchen, seine ausgleichende und auf Versöhnung zielende Botschaft durch einen »offenen Brief an die Vereinten Nationen« bekannt zu machen. Das Schreiben wurde jedoch zu einem höchst ungünstigen Zeitpunkt verfasst – die Welt bereitete sich gerade auf den Koreakrieg vor.
    Bohr glaubte nach seinem nahezu folgenlosen Brief umso stärker an die Aufgabe der Wissenschaft, selbst bleibende Bindungen über nationale und politische Grenzen hinweg zu knüpfen, um dadurch eine

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