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Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Titel: Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Peter Fischer
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bezeichneten Gebilde sich jeder direkten Wahrnehmung und folglich dem – wörtlich verstandenen – Begreifen entzogen. Man kann Chlor riechen, aber nicht an einem Chloratom schnuppern. Man kann Nickel anfassen, aber kein Nickelatom in Händen halten. Man kann den Glanz von Chrom bestaunen, aber kein Chromatom sehen.

    Trotz dieser merkwürdigen Halbwirklichkeit von Atomen konnten sich die Naturforscher nach und nach von der Existenz dieser seit der Antike erdachten Grundbausteine der Materie überzeugen; es blieb Albert Einstein vorbehalten, 1905 die entscheidende Beweisführung vorzulegen. Ihm gelang der Nachweis, dass sich das zittrige Wackeln von winzigen Körnchen auf einer wässrigen Oberfläche höchst genau durch die Annahme erklären ließ, dass die unruhigen Partikel unentwegt von Atomen aus dem Inneren der Flüssigkeit bombardiert und verschoben wurden. Mit Einsteins Hilfe konnte man Atome schließlich sogar zählen, und spätestens damit verwandelten er und seine Kollegen aus der Physik die philosophische Spielerei der Antike in den wissenschaftlichen Ernst der Neuzeit.
    Vor diesem historischen Hintergrund stellten sich den Naturforschern zu Beginn des 20. Jahrhunderts enorm schwierige Aufgaben, deren Lösung genau in dem Moment Ruhm versprach, als Bohr in Kopenhagen sein Studium aufnahm. Es galt zu verstehen, wie die Atome die uns umgebende Materie ermöglichen, stabil halten und bilden. Es ging zum einen darum, konkret zu bestimmen, wie ein Atom grundsätzlich aussieht, wie es seine Masse bekommt und wie die Ladungen in ihm verteilt sind; erst vor Kurzem, 1897, hatte J. J. Thomson das Eigenleben der negativen Elektronen entdeckt. Und es galt zum anderen präzise zu klären, wie sich einzelne Atomsorten unterscheiden – etwa Gold- von Silberatomen – und im elementaren Verbund von Atomen ihre sinnliche Vielfalt bekommen, die sich wahrnehmbar in ihren chemischen Qualitäten niederschlägt.
    Es war schließlich Niels Bohr, der diese lange Zeit unlösbar scheinenden Fragen mithilfe der ihn umgebenden Wissenschaftler in den zehn Jahren nach seiner Promotion fast im Alleingang beantwortete und damit seinen rasch einsetzenden Weltruhm begründete. Folgerichtig und zeitig wurde er 1922 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet, wobei die offizielle Begründung der Schwedischen Akademie Bohrs »Verdienste um die Erforschung der Struktur der Atome und der von ihnen ausgehenden Strahlung«
würdigte. Um die dabei gewonnenen Einsichten und die mit dieser Kenntnis mögliche Begründung für die Ordnung und den Aufbau der Elemente geht es in diesem Kapitel – um die wissenschaftlichen Entwicklungen, mit denen das Tor zum Atomzeitalter mit seinen politischen und sozialen Folgen unumkehrbar geöffnet wurde.

Das Periodensystem
    Die Vorgaben zu den Einsichten Niels Bohrs stammen aus dem 19. Jahrhundert, seit 1869 kennt die Chemie das Periodensystem der Elemente, das heute in allen naturwissenschaftlichen Hörsälen verwendet wird. Die ersten Entwürfe eines solchen Systems sind vor allem den Vorschlägen und Anregungen des russischen Chemieprofessors Dmitri Mendelejew (1834–1907) zu verdanken – er erzählte, dass er die Ordnung der Dinge zuerst in einem Traum gesehen hatte.
    Mendelejew reagierte zusammen mit seinem deutschen Kollegen Lothar Meyer (1830–1895) auf die Entwicklung seiner Wissenschaft, die Historiker als »demographische Explosion« der Elemente bezeichnet haben. Vor 1700 kannten die Chemiker etwa zehn Stoffe, die als elementar – mithin als Elemente – betrachtet werden konnten, unter anderem Gold und Silber, Schwefel und Kupfer, Blei, Eisen und Kohlenstoff. Im 18. Jahrhundert kamen etwas mehr als zwanzig »einfache Körper« hinzu, wie es damals hieß – die Gase Stickstoff, Wasserstoff und Sauerstoff zum Beispiel, darüber hinaus so bekannte Elemente wie Mangan, Nickel und Platin und auch eher wenig vertraute Stoffe wie Strontium, Tellur und Zirkonium. Im 19. Jahrhundert erhöhte sich die Zahl um knapp fünfzig, zu den neuen gehörten neben bekannten Elementen wie Helium und Radium auch Gadolinium und Ruthenium.
    Mit der stetig zunehmenden Menge an natürlichen Grundstoffen erhöhte sich die Dringlichkeit der Frage, ob in der vorgefundenen Vielfalt ein System oder eine Ordnung zu erkennen sei. Im Jahr
1869 wurde Mendelejew und Meyer klar, dass dies mithilfe von sogenannten Atomgewichten gelingen kann. Wenn sie die ihnen bekannten Elemente in der Reihenfolge ihres Atomgewichts anordneten,

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