Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters
Werner Heisenberg (3. v. rechts), Wolfgang Pauli (4. v. rechts) und Erwin Schrödinger (genau in der Mitte). In diesem Jahr befand sich die europäische Wissenschaft noch in glänzender Verfassung, ehe ihre Mitglieder in alle Welt vertrieben wurden.
Abb. 1
Damit begann eine philosophische Debatte, die heute noch andauert. Wer an ihr teilnehmen möchte, findet einen guten Einstieg durch den eingangs erwähnten Essay, in dem Bohr seine Darstellung der Diskussion mit Einstein über erkenntnistheoretische Probleme der Atomphysik gibt.
Einstein eröffnete die Diskussion mit der Beschreibung eines einfachen Gedankenexperiments (siehe Abbildung 1 ). Ein Elektron bewegt sich durch einen schmalen Schlitz in einer Blende, die in hinreichender Entfernung vor einer fotografischen Platte aufgestellt ist. Jeder Durchgang durch winzige Öffnungen dieser Art zieht Beugungserscheinungen, also auch Ablenkungen des Elektrons, nach sich. Folglich, so erklärte Einstein, kann man nur die Wahrscheinlichkeit angeben, mit der sich ein Elektron bei einem mit A benannten Ort registrieren lässt.
Abb. 2
Wenn nun tatsächlich bei A ein Elektron registriert wird, dann kann, so Einstein weiter, bei einem anderen Ort B nichts mehr gemessen werden. Nach der Quantenmechanik gibt es jedoch selbst in dem Fall, dass ein Elektron bei A nachgewiesen wurde, immer noch eine von null verschiedene Wahrscheinlichkeit, ein Elektron auch bei B zu registrieren. Einstein fand dies absurd. Er zog daraus den Schluss, dass die Quantenmechanik unfähig sei, individuelle Elektronen zu behandeln. Sie könne offenbar nur mit statistischen Ensembles aus ihnen umgehen. Dann sei die Quantenmechanik aber nicht vollständig, und auf keinen Fall könne man jetzt behaupten, wie Bohr es tat, dass mit ihr das letzte Wort über die Atome gesprochen sei.
Bohr akzeptierte zunächst die Beschreibung des Versuchsaufbaus. Man könne doch ohne solche Eigenschaften der quantenmechanischen Wahrscheinlichkeiten nicht verstehen, wie zum Beispiel Atome radioaktiv zerfallen. Allerdings konnte er den anschließenden Überlegungen Einsteins nicht folgen. Bohr versuchte seinen Dialogpartner mit der Beschreibung eines weitergehenden Versuchs zu überzeugen. In diesem Experiment (siehe Abbildung 2 ) befindet sich zwischen der Blende mit einem Schlitz und der fotografischen Platte eine zweite Blende mit zwei Öffnungen. Wenn ein intensiver Elektronenstrahl beide Blenden passiert hat, wird man auf der fotografischen Platte ein sogenanntes Interferenzmuster finden. Das
heißt, man wird Streifen sehen, die als Interferenz der mit den Elektronen verknüpften Wellen zu deuten sind.
Als Einstein dem zustimmte, bat Bohr ihn, nun zu überlegen, was passiert, wenn der Elektronenstrahl so schwach ist, dass immer nur ein einzelnes Elektron den Schlitz der ersten Blende passiert. Dann kommt auch an der fotografischen Platte immer nur ein einzelnes Teilchen an (zum Beispiel dort, wo der Stern eingezeichnet ist). Wird der Versuch nun mit einem solchen dünnen Strahl aus Elektronen fortgesetzt, findet man nach einiger Zeit aber genau das Interferenzmuster wieder, das Wellen erzeugen. (Dies ist inzwischen mit raffinierten Experimenten in jedem Detail bestätigt.) Daraus folgt, dass ein einzelnes Elektron, das durch einen der beiden Schlitze der zweiten Blende läuft, andere Elektronen beeinflusst, die durch den Schlitz laufen, durch den das erste Elektron nicht gekommen ist. Es muss also auch dort spürbar sein, wo es nicht registriert wird. Diese Erscheinung, so Bohr, müsse erklärt werden. Die herkömmliche Physik könne das nicht, wohl aber die Quantenmechanik. Ihre Erklärung sei dabei so vollständig wie möglich. Die Beschreibung, auf die Einstein hofft, gebe es nicht.
Das von Bohr beschriebene Experiment mit dem Doppelspalt verdeutlicht besonders eindrucksvoll die Quantennatur der Elektronen – man sieht die Dualität ihres Wesens sozusagen mit eigenen Augen. Die Elektronen verhalten sich als Teilchen, wo sie registriert werden (an der fotografischen Platte werden einzelne Ereignisse registriert), und sie verhalten sich als Wellen, wo sie nicht beobachtet werden (beim Durchgang durch den Doppelspalt). Man könnte nun auf die Idee kommen, an der Wand mit den zwei Öffnungen ein Instrument zu installieren, das festzustellen gestattet, durch welchen Schlitz ein individuelles Elektron schlüpft. Wer dies unternimmt, wird bemerken, dass er dies zwar tun kann, dass damit aber zugleich das
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