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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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blaue
     Kanäle schlängelten sich von Ort zu Ort wie aus Seide genähte Schlupfen. Linköping lag um seinen Dom herum wie eine Perleneinfassung
     um einen köstlichen Stein, und die Gehöfte auf dem Lande waren wie kleine Busennadeln und Knöpfe. Es war nicht viel Ordnung
     in dem Muster, aber es war eine Pracht, die anzusehen man niemals ermüden konnte.
    Die Gänse hatten die Omberger Gegend nun hinter sich gelassen und flogen gen Osten am Götakanal entlang. Der war auch dabei,
     sich für den Sommer zurecht zu machen. Da gingen die Arbeiter umher und besserten die Kanaldämme aus und teerten die großen
     Schleusenpforten.
    Ja, überall wurde gearbeitet, um den Lenz gut zu empfangen, auch in den Städten. Da standen Maler und Maurer auf Gerüsten
     vor den Häusern und machtensie fein. Die Dienstmädchen standen in den offenen Fenstern und putzten die Scheiben blank. Unten am Hafen machte man Segelboote
     und Dampfer sauber.
    Bei Norköping verließen die wilden Gänse die Ebene und flogen über Kolmården. Sie waren eine Weile an einer alten, hügeligen
     Landstraße entlang geflogen, die sich an Schluchten und unter wilden Bergwänden hinschlängelte, als der Junge plötzlich einen
     Schrei ausstieß. Er hatte dagesessen und mit dem einen Bein geschlenkert, und einer von seinen Holzschuhen war ihm abgefallen.
    »Gänserich, Gänserich, ich hab' meinen Schuh verloren!« schrie der Junge.
    Der Gänserich kehrte um und schwebte zur Erde hinab, aber da sah der Junge, daß zwei Kinder, die des Weges daher kamen, seinen
     Schuh gefunden hatten.
    »Gänserich, Gänserich,« schrie der Junge schnell, »flieg wieder hinauf! Es ist zu spät. Ich kann meinen Schuh nicht wieder
     bekommen.«
    Aber unten auf dem Wege standen das Gänsemädchen Aase und ihr Bruder, der kleine Mads, und betrachteten einen winzig kleinen
     Holzschuh, der vom Himmel herabgefallen war.
    »Den haben die wilden Gänse verloren!« sagte der kleine Mads.
    Das Gänsemädchen Aase stand lange still und sann über den Fund nach. Schließlich sagte sie ruhig und nachdenklich: »Weißt
     du wohl noch, kleiner Mads, als wir am Övedkloster vorbeikamen, hörten wir davon reden, daß sie auf einem Bauerhof einen Kobold
     gesehenhatten, der lederne Hosen angehabt hatte und Holzschuhe an den Füßen, ganz wie ein Arbeitsmann? Und weißt du noch, als wir
     nach Vittskövle kamen, erzählte ein kleines Mädchen, sie habe einen alten Kobold mit Holzschuhen gesehen, der sei auf dem
     Rücken einer Gans davongeflogen? Und als wir selber nach unserm Hause heimkehrten, kleiner Mads, da sahen wir ja einen Wicht,
     der so gekleidet war, und der auch auf eine Gans hinaufkroch und davonflog. Vielleicht war das derselbe, der jetzt da oben
     in der Luft auf seiner Gans geritten kam und seinen Holzschuh verlor?«
    »Ja, so ist es gewiß,« sagte der kleine Mads.
    Sie drehten und wendeten den Holzschuh und untersuchten ihn genau, denn nicht jeden Tag findet man den Holzschuh eines Koboldes
     auf der Landstraße.
    »Warte einmal, kleiner Mads, warte einmal!« sagte das Gänsemädchen Aase. »Hier auf der einen Seite steht ja etwas zu lesen.«
    »Ja, da steht etwas. Aber die Buchstaben sind so klein!«
    »Laß mich einmal sehen! Ja, da steht... Da steht: Niels Holgersen aus W.-Vemmenhög.«
    »Das ist doch das merkwürdigste, was ich jemals gehört habe,« sagte der kleine Mads.

XXI. Die Geschichte von Karr und Graufell
Kolmården.
    Nördlich von Bråviken, gerade auf der Grenze zwischen Ostgotland und Sörmland, erhebt sich ein Berg, der mehrere Meilen lang
     und über eine Meile breit ist. Hätte er eine Höhe, die seiner Länge und Breite entspräche, so würde er der schönste Berg sein,
     den man sich denken kann; aber die hat er nicht.
    Es kann zuweilen geschehen, daß man ein Gebäude antrifft, das von Anfang an so groß angelegt ist, daß sein Besitzer es nicht
     hat vollenden können. Wenn man ganz nahe herankommt, sieht man dicke Grundmauern, starke, gewölbte Bogen und tiefe Keller,
     aber da sind weder Mauern noch Dach; das Ganze erhebt sich nur einige Fuß hoch über der Erde. Man kann fast nicht umhin, beim
     Anblick dieses Berges an so ein verlassenes Gebäude zu denken, denn es sieht fast so aus, als sei er bestimmt, mächtige, hohe
     Berghallen zu tragen. Alles ist gewaltig und jedes ist groß angelegt, aber es hat keine rechte Höhe oder Haltung. Der Baumeister
     ist müde geworden und hat die Arbeit aufgegeben, ehe er dazu gelangt war, die steilen

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