Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
Vom Netzwerk:
er hinter eine Wassertonne, die zufällig dicht neben dem Tor stand,
     und verbarg sich dort.
    Was ihn so erschreckt hatte, waren ungefähr zwei Dutzend junger Leute von einer Hochschule; sie befanden sich in Begleitung
     eines Lehrers auf einer Fußwanderung, und als sie das Tor erreicht hatten, hieß er sie dort warten, während er hineinging
     und fragte, ob sie die alte Burg Vittskövle besehen könnten.
    Die Neuangekommenen waren erhitzt und müde, als wenn sie weit gegangen wären. Einer von ihnen war so durstig, daß er an die
     Wassertonne trat und sich hinabbeugte, um zu trinken. Er hatte eine Botanisiertrommel auf dem Rücken und meinte offenbar,
     daß sie ihm hinderlich sei, denn er warf sie ab. Dadurch tat sich der Deckel auf, und man konnte sehen, daß einige Frühlingsblumen
     darin lagen.
    Die Botanisiertrommel fiel dem Knirps gerade vor die Füße, und er fand, daß dies eine vorzügliche Gelegenheitsei, ins Schloß hinein zu gelangen und zu entdecken, wo der Gänserich geblieben war. Schnell schlüpfte er in die Botanisiertrommel
     und versteckte sich, so gut er konnte, unter Anemonen und Huflattich.
    Kaum war es ihm gelungen, sich zu verbergen, als der junge Mann die Botanisierkapsel aufnahm, sie sich auf den Rücken hängte
     und den Deckel zuklappte.
    Der Lehrer kam jetzt zurück und sagte, sie hätten die Erlaubnis erhalten, das Schloß zu besichtigen. Vorerst führte er sie
     jedoch nur auf den Burghof. Dort blieb er stehen und erzählte ihnen von dem alten Gebäude.
    Schließlich ging die ganze Gesellschaft in das Schloß, aber wenn der Knirps gehofft hatte, daß er Gelegenheit haben würde,
     aus der Botanisiertrommel herauszuschlüpfen, so sah er sich getäuscht, denn der Schüler behielt die Botanisiertrommel auf
     dem Rücken, und der Knirps mußte alle Stuben mit durchwandern.
    Es war eine langweilige Wanderung. Jeden Augenblick blieb der Lehrer stehen, um zu erklären und zu erzählen. Er beeilte sich
     wahrlich nicht. Aber er wußte ja auch nicht, daß ein armes kleines Wurm in einer Botanisierkapsel verborgen lag und sich nur
     danach sehnte, daß er aufhören sollte.
    Schließlich ging der Lehrer wieder in den Burghof hinaus und blieb abermals stehen und sprach zu den Schülern.
    Aber die Rede brauchte der Knirps nicht mit anzuhören, denn der Schüler, der ihn trug, war wieder durstig geworden und schlich
     in die Küche hinaus, umeinen Trunk Wasser zu erbitten. Als sie da hinein kamen, fiel dem Knirps ein, daß der Gänserich hier gewiß sein mußte. Er
     fing an, sich zu rühren, und dabei drückte er unversehens zu stark gegen den Deckel, so daß der aufsprang. Aber die Deckel
     von Botanisiertrommeln springen ja immer auf, und der Schüler dachte nicht weiter daran, und drückte ihn nur wieder zu; die
     Köchin fragte jedoch, ob er eine Schlange darin habe. »Nein, ich habe nur einige Pflanzen,« antwortete der Schüler. »Aber
     es rührte sich doch etwas darin,« behauptete die Köchin. Der Schüler öffnete den Deckel ganz weit, um ihr zu zeigen, daß sie
     irre. »Da können Sie selbst sehen, daß ...«
    Aber weiter kam er nicht, denn nun wagte der Knirps nicht länger, in der Botanisiertrommel zu bleiben, mit einem Satz war
     er an der Erde und stürzte zur Küche hinaus. Die Mägde hatten kaum gesehen, was es war, das da lief, aber sie rannten hinterdrein.
    Der Lehrer stand noch da und redete, als er durch laute Rufe unterbrochen wurde: »Fangt ihn! Fangt ihn!« riefen alle, die
     aus der Küche kamen, und die sämtlichen jungen Leute jagten hinter dem Knirps drein, der schneller lief als eine Maus. Sie
     versuchten, ihn zu fangen, indem sie von der andern Seite in das Tor hineinliefen, aber es war nicht so leicht, jemand zu
     erwischen, der so klein war, und er gelangte glücklich ins Freie hinaus.
    Der Knirps wagte nicht, die offene Allee hinabzulaufen, sondern bog nach einer andern Seite ab. Erstürzte durch den Garten in den Hinterhof. Die ganze Zeit jagten sie unter Lachen und Rufen hinter ihm drein. Der arme Kleine
     rannte, so schnell er konnte, aber es sah trotzdem so aus, als wenn sie ihn einholen würden.
    Gerade als er an einer kleinen Tagelöhnerwohnung vorüber kam, hörte er eine Gans gackern und sah eine kleine weiße Daune auf
     der Treppe liegen. Da war er, da war der Gänserich! Er war auf falscher Spur gewesen. Er dachte nicht mehr an Mägde und Knechte,
     die hinter ihm selber dreinjagten, sondern krabbelte die Treppe hinauf und lief auf den Flur. Weiter

Weitere Kostenlose Bücher