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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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Spielversammlung scharen. Aber das ist eine Sitte, der sie seit Olyms Zeiten gefolgt sind, und man hätte schon mit dabei sein
     müssen, als die erste Welle an dem Kullaberg zu Schaum zerschellte, um erklären zu können, warum gerade er vor allen andern
     Orten zum Stelldichein gewählt wurde.
    Wenn die Zeit zur Versammlung da ist, legen die Kronhirsche, die Rehe, die Hasen, die Füchse und die andern wilden, vierfüßigen
     Tiere schon in der Nacht die Reise nach Kullaberg zurück, um nicht von den Menschen gesehen zu werden. Kurz ehe die Sonne
     aufgeht, ziehen sie alle auf den Spielplatz, eine Heide links vom Wege, nicht weit von der äußersten Landzunge des Berges.
    Der Spielplatz ist auf allen Seiten von runden Felshöhlenumgeben, die ihn vor jedem verbergen, der nicht zufällig ganz hineingelangt. Und im März ist es nicht wahrscheinlich, daß
     sich ein Wandersmann dahin verirrt. Alle die Fremden, die sonst auf den Hügeln umherstreifen und an den Bergwänden in die
     Höhe klettern, sind schon vor vielen Monaten in die Flucht gejagt worden. Und der Leuchtturmwärter draußen auf der Landzunge,
     die alte Frau in Kullahof und der Kullabauer und seine Leute gehen ihre gewohnten Wege und laufen nicht auf den einsamen Heideflächen
     umher.
    Wenn die Tiere auf den Spielplatz gekommen sind, lassen sie sich auf den runden Bergkuppen nieder. Jede Tierart hält sich
     für sich, obwohl naturgemäß an einem solchen Tage allgemeiner Friede herrscht, so daß niemand einen Überfall zu befürchten
     braucht. An diesem Tage könnte ein kleines junges Häslein über den Hügel der Füchse laufen, ohne auch nur eines seiner langen
     Ohren einzubüßen. Aber trotzdem stellen sich die Tiere in verschiedenen Scharen auf. Das ist eine alte Sitte.
    Haben sie alle ihre Plätze eingenommen, so fangen sie an, sich nach den Vögeln umzusehen. An dem Tage pflegt immer gutes Wetter
     zu sein. Die Kraniche sind vorzügliche Wetterpropheten und würden die Tiere nicht zusammenrufen, falls Regen zu erwarten wäre.
     Aber obwohl die Luft klar ist, und nichts die Aussicht behindert, sehen die vierfüßigen Tiere doch keine Vögel, Das ist sehr
     sonderbar. Die Sonne steht hoch am Himmel, und die Vögel müßten bereits unterwegs sein.
    Die Tiere auf dem Kullaberge bemerken aber hier und da eine kleine Wolke, die langsam über die Ebene hingleitet. Und siehe!
     Eine von diesen Wolken steuert jetzt plötzlich an der Küste des Oresunds entlang, nach dem Kullaberge hinauf. Als die Wolke
     gerade über dem Spielplatz angelangt ist, bleibt sie stehen, und im selben Augenblick fängt die ganze Wolke an zu klingen
     und zu zwitschern, als bestünde sie nur aus Tönen. Sie steigt und sinkt, steigt und sinkt, aber während der ganzen Zeit klingt
     und zwitschert sie. Schließlich fällt die ganze Wolke auf eine Bergkuppe nieder, die ganze Wolke auf einmal, und einen Augenblick
     später ist die Bergkuppe ganz verdeckt von grauen Lerchen, hübschen rot-grau-weißen Buchfinken, metallglänzenden Staren und
     gelbgrünen Meisen.
    Gleich darauf kommt noch eine Wolke über die Ebene hingetrieben. Sie macht halt über jedem Gehöft, über den Häuslereien und
     den Herrensitzen, über kleinen Städten und großen Städten, über Bauernhöfen und Eisenbahnstationen, über Fischerdörfern und
     Zuckerfabriken. Jedesmal, wenn sie halt macht, saugt sie von den Gebäuden unten auf der Erde eine kleine, in die Höhe wirbelnde
     Wolke aus kleinen, grauen Staubkörnchen auf. Auf diese Weise wächst und wächst sie, und als sie endlich gesammelt ist und
     auf den Kullaberg zusteuert, ist sie keine einzelne Wolke mehr, sondern eine ganze Wolkendecke, die so groß ist, daß sie einen
     Schatten auf die Erde wirft, der von Höganäs bis Mölle reicht. Als sie über dem Spielplatz halt macht, verbirgt sie die Sonne,
     und langemüssen Spatzen auf eine der Bergkuppen herabregnen, ehe diejenigen, die sich im Innersten der Wolkendecke befinden, wieder
     einen Schimmer des Tageslichts zu sehen bekommen.
    Aber die größte von diesen Vogelwolken ist doch die, die jetzt sichtbar wird. Sie ist aus Scharen gebildet, die von überall
     her geflogen kommen und sich ihr angeschlossen haben. Sie ist schwer blaugrau, und nicht ein Sonnenstrahl kann sie durchdringen.
     Sie nahet finster und schreckeinjagend wie eine Gewitterwolke. Sie ist angefüllt mit dem scheußlichsten Lärm, dem unglückverheißendsten
     Hohnlachen. Alle unten auf dem Spielplatz freuen sich, als sie sich

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