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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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wohl
     erzählen,« sagte der Mann, der ruderte. – »Es ist eigentlich nicht Sitte bei uns, sie jedem Beliebigen zu erzählen, aber einem
     alten Kameraden will ich sie nicht vorenthalten.«
    »Auf Schloß Ulvåsa hier in Ostgotland,« fuhr er fort, und nun konnte man an dem Tonfall hören, daß er etwas erzählte, was
     er von anderen gehört hatte und auswendig wußte, »wohnte vor vielen Jahren eine vornehme Frau, die die Gabe besaß, in die
     Zukunft zu sehen und den Leuten zu sagen, was ihnen widerfahren werde, so klar und deutlich, als sei es schon geschehen. Deswegen
     war sie weitberühmt. Es ist ja leicht zu verstehen, daß von Fern und Nah Leute zu ihr kamen, um zu erfahren, was sie an Gutem
     und Bösem zu gewärtigen hatten.
    Eines Tages, als die Frau auf Ulvåsa in ihrem Saal saß und spann, wie das in alten Zeiten Sitte war, kam ein armer Bauer in
     den Saal hinein und setzte sich ganz unten an der Tür auf die Bank.
    »Ich möchte gern wissen, was ihr denkt, wie ihr da so sitzet, liebe Herrin,« sagte der Bauer, als er eine Weile dagesessen
     hatte.
    »Ich sitze hier und denke an hohe und heilige Dinge,«erwiderte sie. – »Da kann es wohl nicht angehen, daß ich nach etwas frage, was mir am Herzen liegt,« sagte der Bauer.
    »Dir liegt wohl nichts weiter am Herzen als die Frage, ob du viel Korn auf deinem Acker ernten kannst. Aber ich bin gewohnt,
     daß mir der Kaiser Fragen stellt, wie es mit seiner Krone gehen mag, und der Papst, wie es um seine Schlüssel steht.« – »Ja,
     solche Dinge zu beantworten, ist wohl nicht leicht,« sagte der Bauer. »Ich habe auch sagen hören, daß niemand von hier fortgehen
     soll, ohne mit der Antwort unzufrieden zu sein, die er bekommen hat.«
    Als der Bauer das sagte, sah er, daß die Herrin auf Ulvåsa sich in die Lippe biß und höher auf die Bank hinaufrückte. »So,
     also das hast du von mir gehört,« sagte sie. »Da kannst du ja versuchen, mich nach dem zu fragen, was du gern wissen willst,
     dann wirst du ja sehen, ob ich so antworten kann, daß du zufrieden wirst.«
    Da zögerte der Bauer nicht länger, sein Anliegen vorzubringen. Er sagte, er sei gekommen, um zu fragen, wie es in Zukunft
     mit Ostgotland gehen werde. Er liebe nichts so sehr wie sein Heimatland, und er glaube, er werde bis zu seiner letzten Stunde
     glücklich sein, wenn er eine gute Antwort auf diese Frage erhalten könne.
    »Wenn du nichts weiter wissen willst,« sagte die weise Frau, »so glaube ich wohl, daß ich dich befriedigen kann. Denn so wie
     ich hier sitze, kann ich dir sagen, es wird mit Ostgotland so gehen, daß es stetsetwas haben wird, dessen es sich vor anderen Landschaften rühmen kann.«
    »Ja, das ist eine gute Antwort, liebe Herrin,« sagte der Bauer, »und nun würde ich ganz zufrieden sein, wenn ich nur verstehen
     könnte, wie das möglich sein sollte.«
    »Warum sollte das nicht möglich sein,« sagte die Frau von Ulvåsa. »Weißt du denn nicht, daß Ostgotland schon weit berühmt
     ist? Oder glaubst du, daß sich irgendeine Landschaft in Schweden rühmen könnte, gleichzeitig zwei solche Klöster zu besitzen,
     wie sie in Alvastra und in Vreta und obendrein noch einen so schönen Dom, wie der in Linköping?«
    »Das mag gern sein,« sagte der Bauer, »aber ich bin ein alter Mann, und ich weiß, daß der Menschen Sinn wandelbar ist. Ich
     fürchte, es wird eine Zeit kommen, wo sie uns nicht viel Ehre lassen werden, weder für Alvastra noch für Vreta oder den Dom.«
    »Darin magst du vielleicht recht haben,« sagte die Herrin von Ulvåsa, »aber deswegen brauchst du nicht an meiner Wahrsagung
     zu zweifeln. Jetzt lasse ich ein neues Kloster auf Vadstena erbauen, und das dürfte wohl das berühmteste im ganzen Norden
     werden. Dahin wird Hoch und Niedrig wallfahrten, und alle werden sie diese Landschaft preisen, weil sie eine so heilige Stätte
     in ihren Grenzen birgt.«
    Der Bauer erwiderte, er sei außerordentlich erfreut, das zu hören. Aber er wisse ja, daß alles vergänglich sei, und er möchte
     wohl wissen, was der LandschaftAnsehen verleihen sollte, wenn das Kloster Vadstena einmal in üblen Ruf käme.
    »Du bist nicht leicht zufriedenzustellen,« sagte die Frau von Ulvåsa, »ich kann aber so weit in die Zukunft sehen, daß ich
     dir sagen kann, ehe das Kloster Vadstena seinen Glanz verliert, wird ganz in seiner Nähe ein Schloß erbaut werden, das das
     prächtigste seiner Zeit sein wird. Könige und Fürsten werden es besuchen, und es wird der

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