Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil
viele Worte
zu ihm zu sagen, als er schon antwortete: »Vielleicht ist es Gottes Wille, daß wir nicht in seine Ordnung eingreifen sollen.
Morgen will ich mit den anderen darüber reden, und ich denke, wir beschließen, daß alles so bleibt wie es ist.«
Während Mann und Frau miteinander sprachen, lag Cäsar vor dem Herd. Er hob den Kopf und hörte genau zu. Als er seiner Sache
sicher zu sein glaubte, ging er zu seiner Herrin, packte sie beim Kleid und zog sie nach der Tür. »Aber Cäsar!« sagte sie
und wollte sich frei machen. »Weißt du, wo Per Ola ist?« rief sie dann aus. Cäsar bellte lustig und lief nach der Tür. Sie
öffnete, und Cäsar stürzte an den Tåkernsee hinab. Seine Herrin war so sicher, daß er wußte, wo Per Ola war, daß sie gleich
hinter ihm drein lief. Und kaum waren sie an den Strand gekommen, als sie draußen auf dem See Kinderweinen hörten.
Per Ola hatte nie im Leben einen so vergnüglichen Tag verbracht wie den heutigen mit Däumling und den Vögeln, aber nun hatte
er angefangen zu weinen, weil er hungrig war und sich vor der Dunkelheit fürchtete. Und er war sehr froh, als Vater und Mutter
und Cäsar kamen, um ihn zu holen.
XIX. Die Wahrsagung
Der Junge lag eines Nachts auf einer der kleinen Inseln im Tåkernsee und schlief, als er durch Ruderschläge geweckt wurde.
Kaum hatte er die Augen aufgemacht, als ein starker Lichtschein gerade in sie hineinfiel, so daß er blinzeln mußte.
Zuerst konnte er nicht begreifen, was hier draußen auf dem See so hell leuchtete, bald aber sah er, daß im Röhricht ein Kahn
lag, in dessen Achtersteven eine große brennende Pechfackel an einer eisernen Stange befestigt war. Die rote Flamme der Fackel
spiegelte sich deutlich in dem nachtschwarzen See, und der Lichtschein mußte die Fische herbeigelockt haben, denn rings um
die Flamme da unten in der Tiefe konnte man eine Menge dunkler Streifen sehen, die sich unaufhörlich bewegten und ihren Platz
wechselten.
In dem Kahn befanden sich zwei alte Männer. Der eine saß an den Rudern, der andere stand auf der hinteren Bank und hielt einen
kurzen, mit einem Widerhaken versehenen Spieß in der Hand. Der Mann an den Rudern schien ein armer Fischer zu sein. Er war
klein, dürr und wettergebräunt und hatte einen dünnen, abgetragenen Rock an. Man konnte ihm ansehen, daß er gewohnt war, in
allem Wetter draußen zu sein, daß er die Kälte nicht scheute. Der andere war wohlgenährt und wohlgekleidet und sah aus wie
ein gebieterischer und selbstbewußter Bauer.
»Halt jetzt still!« sagte der Bauer, als sie dicht vor der kleinen Insel lagen, auf der der Junge lag. Imselben Augenblick stieß er den Spieß in das Wasser. Als er ihn wieder herauszog, kam ein langer, prächtiger Aal mit aus der
Tiefe heraus.
»So ein Kerl!« sagte er, indem er den Aal von dem Haken löste. »Der kann sich sehen lassen! Nun haben wir wohl so viele, daß
wir umkehren können!«
Aber sein Gefährte hob die Ruder nicht in die Höhe; er saß da und sah sich um. »Es ist schön heute abend hier auf dem See,«
sagte er. Und das war es auch. Es war ganz windstill, so daß der Wasserspiegel in ungestörter Ruhe da lag, die nur der Kielwasserstreif
des Bootes unterbrach. Der lag da in dem Feuerschein und glitzerte wie eine Straße aus Gold. Der Himmel war klar und tiefblau
und wie mit Sternen bestickt. Die Ufer waren, ausgenommen nach Westen zu, von den Schilfinseln verdeckt. Dort ragte der Omberg
auf, groß und finster, viel gewaltiger als sonst, und schnitt ein großes, dreieckiges Stück aus dem Himmelsgewölbe heraus.
Der andere wandte den Kopf um, so daß er den Feuerschein nicht in den Augen hatte, und sah sich um.
»Ja, es ist schön hier in Östergyllan,« Ostgotland in der Sprache der Bauern. sagte er; »aber das Beste an der Landschaft ist doch nicht die Schönheit.« – »Was ist denn deiner Ansicht nach das Beste?«
fragte der an den Rudern. – »Das Beste ist, daß es von jeher eine geachtete und angesehene Landschaft gewesen ist.« – »Ja,
das kann seine Richtigkeit haben.« – »Und dann, daß man weiß, daß es immer so bleiben wird.« – »Wie in aller Weltkann man denn das wissen?« fragte der an den Rudern.
Der Bauer richtete sich auf und stützte sich auf die Aalgabel. »Da ist eine alte Geschichte, die sich in meiner Familie von
Vater auf Sohn vererbt hat, und in der Geschichte erfährt man, wie es mit Ostgotland gehen wird.« – »Die könntest du mir
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