Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil
Strande stehen und wartete darauf, daß sie wieder zum Vorschein kommen würde. Da aber sah er, daß sich
ein milder Schein ringsumher über das Wasser verbreitete. Es strahlte in einer Schönheit, wie er nie zuvor etwas Ähnliches
gesehen hatte. Es schimmerte und glitzerte rosenrot und weiß, so wie die Farben im Innern einer Muschel schillern.
Als die glitzernden Wellen gegen das Ufer schlugen, war es dem Fischer, als wenn auch die sich veränderten. Sie waren voller
Blumen und Duft, ein milder Glanz lag über ihnen, so daß sie eine Schönheit erhielten, wie sie sie nie zuvor besessen hatten.
Und er verstand, woher dies alles kam. Denn mit den Seejungfrauen verhält es sich so, daß, wer sie sieht, sie schöner finden
muß als alle anderen, und als sich nun das Blut der Meerjungfrauen mit dem Wasser vermischte und an den Ufern hinaufschlug,
ging ihre Schönheit auch auf die Ufer über, und fortan mußten alle, die sie sahen, sie lieben und sich von Sehnsucht zu ihnen
hingezogen fühlen.«
Als der vornehme alte Herr in seiner Erzählung soweit gekommen war, wandte er sich nach Klement um und sah ihn an, und Klement
nickte ihm ernsthaft zu, sagte aber nichts, um die Erzählung nicht zu unterbrechen.
»Nun mußt du achtgeben, Klement,« fuhr der alte Herr fort, und es kam auf einmal ein schelmisches Aufblitzen in seine Augen,
»daß seit jener Zeit die Leute anfingen, sich auf den Werdern niederzulassen. Zuerst waren esnur Fischer und Bauern, die sich da draußen ansiedelten, aber eines schönen Tages kamen der König und sein Jarl den Strom
hinaufgefahren. Sie sprachen sogleich von den drei Werdern, und sie machten einander darauf aufmerksam, daß jedes Schiff,
das in den Mälarsee hineinsegeln wollte, an ihnen vorüberfahren müsse. Und der Jarl sagte, hier müsse man ein Schloß vor das
Fahrwasser legen, das man nach Belieben öffnen und schließen könne: die Handelsschiffe müßten hineingelassen und die Seeräuberflotten
ausgeschlossen werden.
»Und siehst du, daraus wurde Ernst,« sagte der alte Herr und erhob sich und begann wieder mit seinem Stock im Sand zu zeichnen.
»Auf der größten von den Inseln hier baute der Jarl eine Burg mit einem großen Wachtturm, der Kärnan genannt wurde. Und rings
um den Werder baute er Mauern, wie du es hier siehst. Und hier nach Süden zu setzte er ein Tor in die Mauer und einen starken
Turm darüber. Er baute Brücken zu den anderen Werdern hinüber und versah auch die mit hohen Türmen. Und draußen im Wasser,
rings um das alles herum, errichtete er einen Kreis von Pfählen mit Schlagbäumen, die geöffnet und geschlossen werden konnten,
so daß keine Schiffe ohne seine Erlaubnis vorübersegeln konnten.
Du siehst also, Klement, daß die drei Werder, die hier so lange unbeachtet gelegen haben, sehr bald eine starke Festung wurden.
Aber nicht genug damit. Diese Küsten und Sunde ziehen Menschen an, und bald kamen von allen Seiten Leute herbei und siedelten
sich auf den Werdern an. Um dieser Menschen willen erbaute der Jarl eine Kirche, die bald den Namen Storkyrka erhielt. Sielag hier, dicht neben der Burg, und hier innerhalb der Mauern lagen die kleinen Hütten, die sich die Ansiedler zimmerten.
Viel Staat war nicht damit zu machen, aber mehr war zu jener Zeit nicht erforderlich, um als Stadt zu gelten. Und die Stadt
wurde Stockholm genannt, und so heißt sie noch heutigen Tages.
Und dann kam die Zeit, Klement, wo der Jarl nach seiner großen Arbeit zur Ruhe gehen mußte, und doch sollte es Stockholm nicht
an Baumeistern fehlen. Es kamen Mönche ins Land – Schwarze Brüder nannten sie sich – und Stockholm zog sie an sich, so daß
sie um Erlaubnis baten, sich dort ein Kloster bauen zu dürfen. Es wurde auch auf dem Stadtholm, auf der anderen Seite der
Storkyrka gebaut. Und es kamen andere Mönche, die sich die Grauen Brüder nannten. Auch sie baten um Erlaubnis, in Stockholm
zu bauen, aber es war wohl kein Platz zu ihrem Kloster auf dem großen Werder. Deswegen wurde es auf einem der kleineren errichtet,
auf dem, der nach dem Malar hinaus liegt, und der seit jener Zeit Graamunkeholmen heißt. Der dritte Werder wurde von frommen
Brüdern bebaut, die sich Heiligegeistbrüder nannten und sich hauptsächlich mit Krankenpflege beschäftigten. Sie bauten hier
ein Krankenhaus, und nach ihnen heißt der Werder Helgandsholm.
Sieh, nun waren die drei Werder schon voller Häuser, Klement, aber es strömten noch immer
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