Niemalsland
sein Mantel war zerfetzt, seine Hose zerrissen, sein Haar verschwitzt und ungekämmt … Gott, er sah schrecklich aus.
Ein flötender Ton erklang, und die Aufzugtür öffnete sich.
Die Etage des Stockton-Gebäudes, in der Jessica arbeitete, wirkte auf eine unterdekorierte Art und Weise ziemlich nobel.
Neben dem Aufzug saß eine Empfangsdame, ein erhabenes und elegantes Wesen, das aussah, als würde sein Nettogehalt Richards um Längen schlagen. Sie las Cosmopolitan. Als Richard auf sie zuging, blickte sie nicht auf.
»Ich möchte zu Jessica Bartram«, sagte Richard. »Es ist wichtig. Ich muß sie sprechen.«
Die Empfangsdame ignorierte ihn.
Richard ging den Korridor bis zu Jessicas Büro hinunter. Er öffnete die Tür und trat ein. Sie stand vor drei großen Plakaten, die alle für ›Engel über England – Eine Wanderausstellung‹ warben, jedes mit einer anderen Darstellung eines Engels. Sie drehte sich um, als er hereinkam, und sie lächelte ihn warm an.
»Jessica. Gott sei Dank! Hör zu, ich glaube, ich werde verrückt oder so was. Es fing damit an, daß ich heute morgen kein Taxi bekommen konnte, und dann das Büro und die U-Bahn und – « Er zeigte ihr seinen zerfetzten Ärmel. »Es ist, als sei ich eine Art Unperson geworden.«
Sie lächelte ihn immer noch aufmunternd an.
»Paß auf«, sagte Richard. »Das mit vorgestern abend tut mir leid. Na ja, nicht, was ich getan habe, aber daß ich dich so verärgert habe, und … also, es tut mir leid, aber es ist alles so verrückt, und ich weiß ehrlich nicht mehr, was ich tun soll.«
Und Jessica nickte und fuhr fort zu lächeln, und sie sagte: »Sie werden mich für furchtbar unhöflich halten, aber ich habe ein ganz schlechtes Namensgedächtnis. Geben Sie mir nur einen Moment, es fällt mir bestimmt gleich ein.«
Und da wußte Richard, daß es Wirklichkeit war. Daß all die verrückten Dinge, die ihm heute widerfuhren, wirklich passierten.
»Schon gut«, sagte er. »Vergiß es.«
Und er ging fort, aus der Tür hinaus und den Korridor entlang. Er war fast beim Aufzug, als sie seinen Namen rief.
»Richard!«
Er drehte sich um. Es war doch ein Scherz gewesen. Irgendeine fiese kleine Rache. Etwas, das er erklären konnte. »Richard … Maybury?« Sie schien stolz darauf zu sein, daß sie sich so weit erinnerte.
»Mayhew«, sagte Richard, und er trat in den Aufzug, und die Türen sangen traurig einen absteigenden Flötentriller, als sie sich hinter ihm schlossen.
Richard ging zurück zu seiner Wohnung, aufgebracht und verwirrt und wütend. Manchmal winkte er einem Taxi, aber er hatte eigentlich keine Hoffnung, daß es anhalten würde, und es hielt auch keins.
Seine Füße taten weh, und seine Augen brannten, und er wußte, daß er schon bald von dem heutigen Tag erwachen und ein richtiger Montag, ein vernünftiger Montag, ein anständiger, ehrlicher Montag anbrechen würde.
Er ließ heißes Wasser in die Badewanne, legte seine Sachen aufs Bett und stieg in die Wanne.
Er war beinahe eingedöst, als er hörte, wie ein Schlüssel ins Schloß gesteckt wurde, eine Tür sich öffnete und schloß und eine zuckersüße männliche Stimme sagte:
»Sie sind natürlich die ersten, denen ich heute die Wohnung zeige, aber ich habe eine ellenlange Liste von Interessenten.«
»Sie ist nicht so groß, wie es in den Unterlagen den Anschein hatte«, sagte eine Frau.
»Sie ist kompakt, ja. Aber ich finde, das ist eher ein Vorteil.«
Richard hatte sich nicht die Mühe gemacht, die Badezimmertür zu schließen. Schließlich war er allein in der Wohnung.
Eine barschere, rauhere männliche Stimme sagte: »Ich dachte, Sie hätten gesagt, es sei eine unmöblierte Wohnung. Mir sieht sie verdammt möbliert aus.«
»Der Vormieter muß seine Wohnungseinrichtung zum Teil hiergelassen haben. Komisch. Davon hat mir niemand etwas gesagt.«
Richard erhob sich in der Wanne. Dann setzte er sich wieder hin, denn er war nackt, und sie konnten jeden Moment hereinkommen. Und dann schaute er sich ziemlich verzweifelt im Badezimmer nach einem Handtuch um.
»Oh, schau mal, George«, sagte die Frau im Flur. »Da hat jemand ein Handtuch auf dem Stuhl liegenlassen.«
Richard zog eine Loofah-Gurke, eine halbleere Shampooflasche und eine kleine gelbe Gummiente als Handtuch-Alternativen in Betracht und verwarf alle als ungeeignet.
»Wie ist das Badezimmer?« fragte die Frau.
Richard schnappte sich einen Waschlappen und drapierte ihn vor seinem Schoß. Dann stand er auf, mit dem Rücken
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