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Niemalsland

Titel: Niemalsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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und sagte: »Tja, Eure ganze Familie, das war ein – «, und seine Stimme erstarb, und er sagte: »Ihr müßt nämlich wissen, ich hegte die wärmsten Gefühle für ihn, hatte schließlich geschäftlich recht viel mit ihm zu tun … Der gute alte Portico … voller Ideen …« Er hielt inne. Dann tippte er dem Narr auf die Schulter und flüsterte mit seinem sonoren Organ, laut genug, daß es trotz des Zuglärms gut zu hören war: »Geh und mach Witze, Tooley. Verdien dir dein Brot.«
    Der Narr torkelte den Gang entlang und schnitt dabei arthritische Grimassen. Vor Richard blieb er stehen.
    »Und wer mögt Ihr wohl sein?« fragte er.
    »Ich?« sagte Richard. »Ähm. Ich? Mein Name? Ich heiße Richard. Richard Mayhew.«
    »Mayhew?« kiekste der Narr, wobei er auf ältliche, ziemlich theatralische Weise Richards schottischen Akzent nachahmte. »Mayhew? Oho! ’s ist kein Mann, ’s ist ein Mondkalb im Kilt!«
    Die Höflinge kicherten zurückhaltend.
    »Und ich«, erklärte de Carabas dem Narren mit einem blendenden Lächeln, »bin der Marquis de Carabas.«
    Der Narr blinzelte.
    »De Carabas, der Dieb?« fragte er. »De Carabas, der Leichenräuber? De Carabas, der Verräter?« Er wandte sich zu den umstehenden Höflingen. »Aber das kann nicht de Carabas sein! Wie denn? De Carabas ist schon vor langer Zeit aus dem Umfeld des Earl verbannt worden. Vielleicht ist es statt dessen ein echter Schweinehund.«
    Die Höflinge kicherten, diesmal unbehaglich, und ein leises Rauschen nervöser Gespräche setzte ein. Der Earl sagte nichts, doch seine Lippen waren fest zusammengepreßt, und er hatte zu zittern begonnen.
    »Ich heiße Hunter«, sagte Hunter zu dem Hofnarren.
    Da waren die Höflinge still. Der Narr öffnete den Mund, als ob er etwas sagen wollte, und dann sah er sie an, und dann schloß er seinen Mund wieder.
    Der Anflug eines Lächelns umspielte Hunters wohlgeformte Lippen. »Na los«, forderte sie ihn auf. »Sag etwas Lustiges.« Der Narr starrte die abgeknickten Spitzen seiner Schuhe an. Dann murmelte er: »Mein Hund hat keine Nase.«
    Der Earl hatte den Marquis de Carabas wie eine langsam brennende Zündschnur angestarrt, mit einem hervorquellenden Auge und weißen Lippen. Offenbar traute er seinen Augen und Ohren nicht. Dann explodierte er: Er sprang auf, ein graubärtiger Vulkan, ein ältlicher Berserker. Sein Kopf streifte das Waggondach. Er zeigte auf den Marquis und brüllte speichelnd: »Das lasse ich mir nicht gefallen, das nicht! Er soll vortreten!«
    Halvard drohte dem Marquis mit seinem kümmerlichen Speer, und dieser schlenderte zum Vorderende des Zuges, bis er neben Door vor dem Thron des Earl stand. Ein Knurren entrang sich der Kehle des Wolfshunds.
    »Ihr«, sagte der Earl und stach mit einem bebenden Finger in die Luft. »Ich kenne Euch, de Carabas. Ich habe nichts vergessen. Ich bin vielleicht alt, aber ich habe nichts vergessen.«
    Der Marquis verneigte sich.
    »Darf ich Euer Gnaden erinnern«, sagte er liebenswürdig, »daß wir ein Abkommen hatten? Ich habe die Friedensverhandlungen zwischen Eurem Volk und dem Raven’s Court geführt. Und im Gegenzug willigtet Ihr ein, mir einen kleinen Gefallen zu tun.«
    Also gibt es wirklich einen Raven’s Court, dachte Richard. Er fragte sich, wie es da wohl zugehen mochte.
    »Einen kleinen Gefallen?« fragte der Earl. Er wurde rot wie eine Tomate. »So nennt Ihr das also? Durch Eure Dummheit hatte ich auf dem Rückzug aus White City den Verlust von einem Dutzend Männer zu beklagen. Ich selbst habe ein Auge verloren.«
    »Und wenn es gestattet ist, Euer Ehren«, sagte der Marquis würdevoll, »möchte ich die Gelegenheit nutzen, Euch zu sagen, daß diese Augenklappe Euch vorzüglich steht. Euer Antlitz kommt dadurch erst richtig zur Geltung.«
    »Ich habe gelobt … «, wetterte der Earl, und seine Barthaare sträubten sich, »ich habe gelobt … wenn Ihr jemals wieder mein Reich betretet, dann werde ich …«, seine Stimme erstarb. Er schüttelte den Kopf. Fuhr fort. »Es wird mir schon wieder einfallen. Ich vergesse nichts.«
    »Er ist also vielleicht nicht allzu erfreut, Sie zu sehen?« flüsterte Door de Carabas zu.
    »Na ja, ist er ja auch nicht«, murmelte er zurück.
    Door trat noch einmal vor. »Euer Gnaden«, sagte sie laut und deutlich, »de Carabas ist hier als mein Gast und mein Begleiter. Um all der Verbundenheit willen, die zwischen Eurer und meiner Familie geherrscht hat, um der Freundschaft zwischen meinem Vater und – «
    »Er hat meine

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