Niemalsland
glauben Sie, wer das war?« Mr. Vandemar kaute nachdenklich und sog die Schnecke dann in den Mund, wie einen Strang dicker, klebriger, schwarzoranger Spaghetti. »Ein Vogelscheuchenmann?« fragte er.
»Unser Arbeitgeber.«
»Das wäre mein nächster Versuch gewesen.«
»Vogelscheuchen«, spuckte Mr. Croup angewidert. Seine rote Rage verwandelte sich langsam in ein öliggraues Schmollen.
Mr. Vandemar schluckte das, was er im Mund hatte, hinunter und wischte sich die Lippen am Ärmel ab. »Am besten verscheucht man Vögel«, sagte Mr. Vandemar, »indem man sich von hinten anschleicht, die Hand um ihren kleinen Vogelhals legt und so lange zudrückt, bis sie sich nicht mehr bewegen. Dann kriegen sie eine Mordsangst. «
Und dann schwieg er; und ganz weit über sich hörten sie wütend krächzende Krähen fliegen.
»Krähen. Familie: corvidae. Sammelbegriff«, deklamierte Mr. Croup und schwelgte im Klang des Wortes: »ein Mord.«
Richard wartete, neben Door an die Wand gelehnt. Sie sagte sehr wenig; sie kaute an den Fingernägeln, fuhr sich mit der Hand durchs Haar, bis es ihr in alle Himmelsrichtungen zu Berge stand, und versuchte dann, es wieder herunterzudrücken.
Sie war unbestreitbar anders als jeder andere Mensch, den er je kennengelernt hatte.
Als sie merkte, daß er sie ansah, zuckte sie mit den Schultern und verkroch sich noch tiefer in ihre Kleidungsschichten, in ihre Lederjacke. Ihr Gesicht schaute aus dem Inneren der Jacke hinaus in die Welt. Ihr Gesichtsausdruck erinnerte Richard an ein obdachloses Kind, das er einmal gesehen hatte, letzten Winter, hinterm Covent Garden: Er war sich nicht sicher, ob es ein Mädchen oder ein Junge gewesen war. Seine Mutter bettelte, bat die Passanten um Kleingeld, damit sie ihrem Kind und dem Baby, das sie in ihren Armen trug, zu essen geben konnte. Doch das Kind starrte in die Welt hinaus und sagte nichts, obwohl es sicher hungrig und durchgefroren war. Es starrte einfach nur.
Hunter stand neben Door und ließ ihren Blick über den Bahnsteig schweifen. Der Marquis hatte ihnen gesagt, wo sie warten sollten, und sich aus dem Staub gemacht. Von irgendwoher hörte Richard, wie ein Baby zu weinen anfing. Der Marquis schlüpfte aus einer ›Hier-nur-Ausgang‹-Tür und kam auf sie zu. Er kaute an einer Zuckerstange.
»Amüsieren Sie sich gut?« fragte Richard. Ein Zug näherte sich.
»Ich kümmere mich nur darum, daß alles glattgeht«, sagte der Marquis. Er schaute auf den Zettel und seine Uhr. Dann deutete er auf eine Stelle auf dem Bahnsteig. »Das ist der Earl’s-Court-Zug. Stellen Sie sich alle drei hier hinter mir auf.«
Dann, als die U-Bahn – ein ziemlich langweilig aussehender Zug, wie Richard enttäuscht feststellte – in den Bahnhof rumpelte und ratterte, beugte der Marquis sich über Richard hinweg und sagte zu Door: »Mylady? Es gibt da etwas, das ich vielleicht schon früher hätte erwähnen sollen.«
Sie wandte ihm ihre seltsam gefärbten Augen zu. »Ja?«
»Nun ja«, sagte er, »der Earl wird vielleicht nicht allzu erfreut sein, mich zu sehen.«
Der Zug wurde langsamer und hielt. Der Waggon, neben dem Richard stand, war völlig leer: Das Licht war aus, es war trostlos und leer und dunkel. Andere Zugtüren öffneten sich zischend. Fahrgäste stiegen ein und aus. Die Türen des verdunkelten Waggons blieben geschlossen.
Der Marquis trommelte mit der Faust einen komplizierten Rhythmus an die Tür. Nichts geschah. Richard fragte sich gerade, ob der Zug ohne sie abfahren würde, als die Waggontür von drinnen aufgeschoben wurde. Sie öffnete sich etwa fünfzehn Zentimeter weit, und ein ältliches Gesicht lugte zu ihnen heraus.
»Wer klopft da?« fragte der Mann.
Durch den Spalt sah Richard Flammen und Menschen und Rauch. Durch das Glas in den Türen jedoch sah er immer noch einen dunklen und leeren Waggon.
»Lady Door«, sagte der Marquis milde, »und ihre Begleiter. «
Die Tür glitt vollständig auf, und sie waren im Earl’s Court.
Kapitel Sieben
Der Boden war mit Stroh bestreut, darunter lag eine Schicht Binsen. Ein offenes Holzfeuer loderte knisternd in einem großen Kamin. Ein paar Hühner stolzierten pikkend auf dem Boden umher. Sessel mit handbestickten Kissen darauf standen herum, und die Fenster und Türen waren mit Tapisserien verhängt.
Als der Zug aus der Haltestelle schlingerte, taumelte Richard vorwärts. Er streckte die Hand aus, bekam die am nächsten stehende Person zu fassen und fand sein Gleichgewicht wieder.
Die am
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