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Niemand hört dich schreien (German Edition)

Niemand hört dich schreien (German Edition)

Titel: Niemand hört dich schreien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Burton
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wahrscheinlich an einen Stuhl, mehrere Tage gefangen gehalten und mit Medikamenten vollgepumpt. Und dann hat er sie erdrosselt.«
    Kurz blitzte das Gesicht des Opfers vor Jacobs innerem Auge auf, und wieder musste er an Kendall Shaw denken. Er schob den Gedanken mit aller Macht beiseite, in der festen Absicht, die Leiche nur noch als Beweismittel zu betrachten. »Irgendwelche Anzeichen für ein Sexualverbrechen?«
    »Kann ich nicht einschätzen. Ihre Kleidung ist unversehrt, aber du weißt ja, dass das nichts heißen muss.«
    Der Leichenwagen näherte sich über die holprige Baustellenstraße und hielt etwa hundert Meter von ihnen entfernt an. Der Fahrer ließ den Motor laufen und stieg zusammen mit einem anderen Mann aus, beide waren groß und breitschultrig.
    Lässig holten sie die Trage hinten aus dem Wagen und kamen zu ihnen herüber. Tess führte sie zu der Toten, die sie inzwischen in einen schwarzen Leichensack gesteckt hatte. Der Sack war mit einem Schloss gesichert, das erst bei Ankunft in der Pathologie geöffnet werden würde. Wortlos hoben die beiden Männer die Leiche auf die Trage, trugen sie die Böschung hinauf und luden sie in den Wagen.
    Zack und Jacob folgten Tess zu ihrem Auto. Sie blieben stehen, während sie den Motor anließ und die Heizung voll aufdrehte. Sie schloss die Tür, öffnete das Fenster aber einen Spaltbreit.
    Sie hielt die Hände vor das Gebläse. »Mir wird wohl nie wieder warm werden.«
    »Wann hast du Dienstschluss?« Zack beugte sich zu ihr nach unten.
    »Um vier. Hoffentlich bin ich bis dahin fertig mit unserer Unbekannten. Ich hab Mom versprochen, den Christbaumschmuck mit ihr wegzupacken.«
    Zack nickte. »Danke, dass du das machst.«
    »Nächstes Jahr bist du dran.«
    Zack grinste. »Nein, Malcolm. Er schuldet mir noch einen Gefallen.« Malcolm, der Bruder der beiden, arbeitete bei einer Spezialeinheit.
    »Was hast du für ihn getan?«, fragte sie mit einem Lächeln.
    Wieder grinste Zack. »Sagen wir einfach, er und ich haben gewettet, und er hat verloren.«
    Tess lachte herzhaft. »Etwas, das ich wissen sollte?«
    »Nein«, erwiderte Zack.
    Jacob beneidete die Geschwister um ihr entspanntes, vertrautes Verhältnis. Er selbst hatte so etwas nie kennengelernt. Sein Vater hatte sich noch vor seiner Geburt aus dem Staub gemacht, und Jacob hatte keine Geschwister. Seine Mutter war drogen- und alkoholabhängig gewesen, als Kind hatte er für sie nur eine Last bedeutet. Als Jacob zwölf gewesen war, hatte ein gutherziger Mann namens Pete Myers ihn aufgenommen und ihm ein echtes Zuhause gegeben. Im letzten Sommer hatte sich allerdings herausgestellt, dass Pete ein zutiefst gestörter Mensch gewesen war.
    Verdammt. Auch mit viel Fantasie hätte Jacob sich keine schlimmere Lebensgeschichte für sich selbst ausdenken können.
    Zack und Tess wechselten noch ein paar Worte, dann kurbelte sie das Fenster hoch. Der Leichenwagen fuhr davon, und Tess folgte ihm mit ihrem Transporter.
    Zack rieb die Hände aneinander, um sie aufzuwärmen. »Ich fahre zurück ins Büro.«
    »Ich komme gleich nach. Ich will nur noch mal den Tatort abgehen.« Jacob brannte darauf, in seinen Wagen zu steigen und die Heizung anzustellen, doch der Ort ließ ihn nicht los. Noch nicht.
    Zack war gerade aufgebrochen und Jacob auf dem Weg zurück zum Fluss, als er jemanden fragen hörte: »Wer ist hier der Verantwortliche?«
    Die Stimme war tief, zornig und klang äußerst anmaßend.
    Jacob drehte sich um und zog die geballten Fäuste aus den warmen Taschen. Vor der Absperrung stand ein Mann, der einen dunklen Anzug und darüber einen eleganten Mantel trug. Man brauchte keinen Harvard-Abschluss, um zu erkennen, dass Anzug und Mantel mehr gekostet hatten, als Jacob in einem Monat verdiente. Der Mann war nicht sehr groß, höchstens eins fünfundsiebzig, und trug das braune Haar zurückgegelt. Am kleinen Finger seiner linken Hand glitzerte ein Goldring. Der Kerl wirkte aalglatt.
    Mit energischen Schritten ging Jacob auf den geschniegelten Typ zu. Er war in Streitlaune und brauchte ein Ventil für seine innere Anspannung. »Kann ich Ihnen helfen?«
    Der Mann hob eine Braue. »Sind Sie hier zuständig?«
    Wieder trieften seine Worte vor Überheblichkeit. Jacobs Nackenhaare stellten sich auf. Er hatte nichts gegen Fragen, aber Arroganz konnte er nicht ausstehen. »Ich bin Detective Jacob Warwick. Ich leite die Ermittlungen in diesem Mordfall.«
    Die Miene des anderen wurde ein wenig freundlicher, und er streckte Jacob die

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