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Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Titel: Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annick Cojean
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niemand davon in Kenntnis gesetzt worden. Die Delegation der verschwundenen First Lady war in Aufruhr, der Protokollchef kurz vor einem Herzinfarkt. »Eine Schande!«, brüllte er die libyschen Organisatoren an. »Wo ist die Frau des Präsidenten? Wie konnten Sie die Gattin eines Staatsoberhauptes mitten in der Nacht aus den Augen verlieren?« Wir versuchten, ihn zu beruhigen: In Tripolis herrschte Sicherheit, es konnte sich nur um einen schnell aufzuklärendenwidrigen Umstand handeln. Panisch fuchtelte er mit seinem Telefon herum, wusste nicht, wem er Bescheid sagen sollte, er war schrecklich in Sorge. Da ihnen die Argumente ausgingen, zogen es die Mitarbeiter des libyschen Protokolls schließlich vor, zu verschwinden. Sie waren bestürzt angesichts dieses Zwischenfalls, aber sie hatten zumindest keinen Zweifel, wo sich die Präsidentengattin befand. Sie tauchte um 3 Uhr 30 morgens wieder auf.
    Unzählige andere Geschichten sind mir bis ins Detail erzählt worden. Sie betrafen die Ehefrauen von Staatschefs, aber auch ausländische Ministerinnen, Botschafterinnen, Delegationsvorsitzende. Und sogar eine Tochter des Königs Abdullah von Saudi-Arabien. Gaddafi war zu allem bereit, um das Mädchen zu kriegen, es bedeutete ihm die höchste Rache nach einem Streit mit ihrem Vater, der damals noch Kronprinz war. Eine libanesische Kupplerin hatte alle Register gezogen, um ihm die junge Frau zuzuführen. Als sie dennoch ihr Ziel nicht erreichte, überzeugte sie – mit Hilfe einer großzügigen Summe Geld – eine Marokkanerin, die in Saudi-Arabien gelebt hatte, sich für ein einmaliges Treffen als die saudische Prinzessin auszugeben. In seinem wahnwitzigen Hochmut ließ sich der Oberst täuschen.
    Bisweilen entdeckte ich in dem glühenden Blick meiner Gesprächspartnerin, und auch mehrerer anderer, eine Sorge, die mir zu Beginn auch bei Soraya aufgefallen war: Wird sie mir glauben? Kann sie mir überhaupt glauben? All das ist so abseitig! Ich machte mir kommentarlos Notizen. Wollte Details wissen, fragte nach Daten. Sie gab sie mir, bat mich jedoch, keine Namen zu nennen. Die meisten Geschichten wurdenmir übrigens später von anderen Leuten bestätigt, von Dolmetschern, die in derselben Abteilung arbeiteten, und von Mitgliedern der aktuellen Regierung.
    Und dann gab es noch die im Prinzip verbotene, für einen Mann, der sich jedes Recht herausnahm, aber besonders begehrenswerte Beute: die Geliebten und die Ehefrauen seiner Söhne und Cousins. Die Gerüchte diesbezüglich sind zahlreich. Ein Rebellenführer behauptete mir gegenüber, dass eine Schwiegertochter, die sich heute im Ausland befindet, ihm persönlich gestanden habe, sie sei »angewidert« von dem Lebenswandel dieser »geistesgestörten« Familie und habe ein Dutzend Mal den Zudringlichkeiten des Führers nachgeben müssen. Ich hielt mich damit nicht auf, sah darin nur eine weitere Abscheulichkeit im Kreise einer Familie, über die sich ohnehin niemand mehr Illusionen machte. Dann allerdings erregte die Schlagzeile der Tageszeitung Libya al-Jadida vom 28. Februar 2012 meine Aufmerksamkeit: Sie kündigte das Interview mit einem sehr engen Gaddafi-Cousin an. In einem Land, wo man die Presse traditionell mundtot gemacht hat und wo das Thema Sex immer noch ein Tabu darstellt, überraschte der Artikel, der dieser Ankündigung folgte.
    Said Gaddaf Addam, aufgrund seiner Geschichte und seiner Initialen leicht zu identifizieren, prangert in dem Interview, das man im Gefängnis mit ihm geführt hatte, die brutale Vergewaltigung seiner Ehefrau durch seinen Cousin Muammar al-Gaddafi an. Eine Vergewaltigung, so sagt er, die vorsätzlich von einem Mann begangen wurde, der weder Glauben noch Gesetz kannte und für den, wenn er eine Frau begehrte, »weder die Verbundenheit mit einem Clan oder einem Stamm noch Familienbande zählten« – es sei denn, erwollte die Frau dazu benutzen, um ihren Ehemann »fertigzumachen«. Eine Vergewaltigung, so der Cousin weiter, die mehrfach verübt wurde, während man ihn auf ferne militärische Missionen schickte, und die seine Frau, seine »große Liebe«, bald dazu trieb, jedes Band mit dem Gaddafi-Clan zu kappen, eine schnelle Scheidung zu fordern und überstürzt einen Posten im Ausland anzunehmen. Um sich in Sicherheit zu bringen. Und um ihre gemeinsame Tochter zu schützen, um zu verhindern, dass die Familie »zwei Mal vom selben Schicksal getroffen wird«. Die Wortwahl des Gaddafi-Cousins ist sentimental und der Ton erstaunlich larmoyant

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