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Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Titel: Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annick Cojean
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belagern und sie dann sturmreif zu schießen – dank der berühmten Leibwächterinnen und ihrer Puffmutter. Man sagte ihnen, wie sehr der Führer sie bewunderte. Man stellte ihnen viel Geld in Aussicht, ein Auto – einen BMW oder einen dicken Geländewagen –, ein Diplom in Medizin, falls sie studierten, oder sogar eine Praxis in der Stadt, falls sie davon träumten, sich niederzulassen. Alles war möglich.« Was für ein Triumph, wenn diese Töchter dann endlich zu ihm kamen! Was für eine Macht, die er sich damit über ihren Erzeuger sicherte!

5
Herr des Universums
    Zu den Festgelagen des Diktators kamen auch die Ehefrauen und Töchter der Landesfürsten und Staatschefs, die von ihm begehrte »Beute erster Wahl«. Wenn man ihn schon nicht, wie er es wünschte, zum »König der Könige Afrikas« krönte,wollte Gaddafi zumindest die Ehefrauen seiner Mitstreiter besitzen. Eine Art, sie alle zu übertreffen. Allerdings war auf diesem Gebiet der Rückgriff auf Nötigung und Gewalt undenkbar. Es bedurfte der Erfahrung, diplomatischer Gewandtheit und einiges Fingerspitzengefühls. Und man musste viel, viel Geld lockermachen. Zahlreiche dieser Ehefrauen haben schnell begriffen, dass sie vom Führer alles kriegen konnten, und so scheuten sie sich nicht, auf ein Treffen zu dringen, um seine finanzielle Unterstützung für ein Krankenhaus, eine Stiftung, irgendein Projekt zu erbetteln, das ihnen am Herzen lag. Gaddafi verteilte sein Geld hemmungslos und richtete es selbstverständlich so ein, dass er seinen Vorteil daraus zog. Manche Töchter von afrikanischen Staatsoberhäuptern, die einen lockereren Lebenswandel pflegten als die Libyerinnen und daran gewöhnt waren, auf großem Fuß zu leben, ließen sich von ihm nach Tripolis einladen und zögerten nicht, »Papa Muammar« zu bitten, ihnen ihren Urlaub, ihr Studium oder berufliche Vorhaben zu finanzieren, etwa die Neugründung einer Fernsehproduktionsgesellschaft. Das Büro des Führers und schließlich sein Schlafzimmer standen ihnen offen. Die Tochter eines Expräsidenten von Niger gelangte so in den engsten Kreis Gaddafis und begleitete ihn auf vielen offiziellen Reisen. Aber der Oberst suchte auch gern die Gefahr und verführte die Frauen mit Vorliebe vor der Nase ihrer Ehemänner. Die großen internationalen Gipfeltreffen boten ihm die willkommene Gelegenheit, sein ganzes Talent zu entfalten.
    Eine Frau von vierzig Jahren, die mehrere Jahre in der Protokollabteilung des Führers gearbeitet hatte, verabredete sich mit mir in einem Teesalon in einem vornehmen Viertel vonTripolis. Eine Freundin hatte ihr von meinen Recherchen erzählt, und sie willigte ein, mir weiterzuhelfen. Das kam so unerwartet nach all den Absagen, die mir überall begegnet waren! Die kleine, zierliche, sehr lebhafte Frau trug keinen Schleier und sah mich direkt an, freundschaftlich und, wie soll ich sagen, kämpferisch. »Ich halte es für eine Pflicht, mit Ihnen zu sprechen«, sagte sie mir. »Ich konnte nicht an der Revolution teilnehmen und auch nicht die Waffen gegen Gaddafi erheben. Ich schwöre Ihnen, ich hätte es gewollt. Sie zu treffen, mitzuhelfen, dass man die Wahrheit darüber erfährt, was dieses Regime tatsächlich ausmachte, ist gewissermaßen mein Beitrag zur Revolution.« Wie ernüchtert sie gewesen sei, gibt sie zu, seit sie in der Protokollabteilung angefangen hatte! Wie auch sie jegliche Illusion über den Führer und seine Beweggründe verloren habe! Sie hatte geglaubt, für Libyen zu arbeiten, dem großen Plan eines integren Visionärs zu dienen. Und dann kam es knüppeldick, sie sah sich einem System von Pfründenwirtschaft, Hofschranzentum und sexueller Korruption gegenüber, das alle ihre Überzeugungen zunichte machte. Sie hatte versucht, ihren Kurs zu halten, ihre Arbeit so auszuführen, dass sie sich keine Vorwürfe machen musste. Aber es dauerte nicht lange, bis sie entdeckte, dass Gaddafis Sexbesessenheit den ganzen Regierungsapparat beschmutzte und die minutiöse Organisation von Gipfeltreffen und Staatsbesuchen, mit der ihre Abteilung betraut war, untergraben konnte. Sie war empört. »Er spielte mit dem Feuer, wir riskierten andauernd einen diplomatischen Zwischenfall.« Sämtliche Regeln wurden mit Füßen getreten. »Der Besuch einer First Lady, von der es hieß, sie interessiere sich besonders für das Schulwesen? Unsere Aufgabe war es, für sie ein Programm auf die Beine zu stellen, dasihren Erwartungen entsprach, wir organisierten Zusammenkünfte mit

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