Niemand ist eine Insel (German Edition)
Hélène sah mich lächelnd an, als ich den Hörer in die Gabel gelegt hatte.
»Ja, gewiß. Ich werde also gehen. Ach, tun Sie mir einen Gefallen …«
»Gerne, Monsieur.«
»… und sagen Sie Madame, wenn sie aufwacht …«
»Ja, Monsieur?«
Seriös jetzt, Kaven! Ernst und mit Inbrust!
»… daß ich hier war, daß ich sie über alles liebe und daß ich morgen abend wiederkomme.«
»Das will ich ausrichten. Und ich will für Sie beide beten.«
»Was wollen Sie tun?«
»Beten«, sagte sie still. »Man liest es in der Zeitung, man glaubt es nicht. Nun ist man Augenzeuge …«
»Wovon?«
»Von einer so großen Liebe«, sagte Schwester Hélène. »Gott will, daß wir einander lieben. Ich werde beten, daß Er Sie beschützt.«
»Ja«, sagte ich, »bitte, liebe Schwester Hélène.«
»… und daß Er Ihnen noch viele schöne Jahre schenkt und alles Unheil von Ihnen abwendet«, sagte sie, und da war ein Leuchten in ihren Augen. Bei allem, was dann passiert ist, bis zu dieser Stunde, mein Herr Richter, muß ich immer daran denken, daß diese Schwester Hélène für unseren Frieden beten wollte und dafür, daß Gott uns noch viele schöne Jahre schenkte und alles Unheil von uns abwandte.
6
I ch gab Schwester Hélène die Hand und ging den Gang hinunter zum Lift. Nur weg hier jetzt, und schnell. Dann schaffte ich es noch ganz leicht zu Suzy. Und bei Suzy konnte ich mir dann in aller Ruhe, ohne Hast und ohne Hetze, ein paar schöne Stunden machen.
Sehen Sie, mein Herr Richter, ich sagte, Sylvia sei rasend eifersüchtig gewesen. War sie auch. Aber man kann so eifersüchtig sein, wie man will, und dem Partner doch niemals etwas nachweisen, wenn der Partner es nur geschickt genug anfängt. Ich hatte in den Städten, in die wir gekommen waren, immer noch Mädchen oder junge Frauen gefunden, zu denen ich flüchtete, wenn ich den Streß – lachen Sie bitte nicht, das ist genau das richtige Wort! –, wenn ich den Streß einfach nicht mehr aushielt, wenn Sylvia einfach allzu meschugge wurde. Ich meine: Selbst einer wie ich ist ja nicht eben darauf aus, ist ja nicht gerade besessen von dem Gedanken, sich nun unbedingt einen Herzinfarkt zu holen in seinem Beruf, nicht wahr.
Und so, um fit zu bleiben, um alles ertragen zu können – eigentlich geschah das Ganze für Sylvia, zu ihrem Guten, denn nur so konnte ich ihr dann, ausgeglichen und abgeklärt, in schwierigen und gefährlichen Situationen zur Seite stehen –, war es mir natürlich trotz allem immer wieder gelungen, fremdzugehen, eine süße Kleine aufzureißen, wo immer wir waren.
Ich will Ihnen keine Tips geben, mein Herr Richter, vielleicht sind Sie glücklich verheiratet, ich weiß es nicht, ich muß das nur erklären: In einer Lage wie der meinen ist es natürlich von fundamentaler Wichtigkeit, ist es überhaupt die conditio sine qua non, daß solch eine Kleine dann nicht etwa auf so hübsche Ideen kommt wie etwa die, Sie zu erpressen oder ihre Erlebnisse mit Ihnen einer Illustrierten zu verkaufen oder auch nur vor Freundinnen damit anzugeben. Wie verhindert man das? Ganz einfach verhindert man das. Man nimmt sich nur diejenigen von den süßen Kleinen, die entweder gut verheiratet sind, wenn’s geht mit einem reichen Mann, oder solche, die mit einem reichen Mann verlobt sind und vor der Heirat stehen. Das ist schon alles. Wenn Sie so vorgehen, können Sie ruhig schlafen. Allein. Und mit der Dame. Da passiert garantiert nichts. Ich habe nie anders als ruhig geschlafen.
Hier in Paris hatte ich vor einem Jahr etwas mit einer Kosmetikerin angefangen. Tolle Nummer, meine Suzy. Offiziell verlobt mit dem noch minderjährigen Sohn eines Grafen, der mehrere große Textilfabriken in Roubaix, Nordfrankreich, besessen hatte. Papa und Mama tot. Der zarte Knabe Alleinerbe, Millionär. Testamentarisch hatte Papa bestimmt, daß er im Augenblick seiner Volljährigkeit die Fabriken, zwei oder drei Schlösser, Weinberge, Ländereien, Wälder, was halt so zusammenkam, direkt erhalten sollte. Dann sollte er auch tun und lassen können, was er wollte. Bis zu dem Moment gab es Vormünder, Anwälte, Treuhänder für ihn. Suzy hatte dem Knaben seine Nägelchen manikürt an dem Tag, an dem ich – von einer ihrer Angestellten – die meinen maniküren ließ in ihrem Salon. Ob man will oder nicht – und ich wollte! –, beim Friseur und in einem Kosmetiksalon hören Sie jedes Wort, das in Ihrer Nähe gesprochen wird. Na, um es kurz zu machen, als meine Hände
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