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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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bildschön waren, wußte ich über alles Bescheid. Und Suzy wußte natürlich, wer ich war – mein bildhübsches Gesicht sehen Sie jeden Tag (jetzt natürlich erst recht!) auf Kupfertiefdruckpapier, Rotationspapier, Postkarten, im Fernsehen, im Kino. Das Maniküren fand am Nachmittag statt. Das andere dann am Abend. (Sylvia hatte Nachtaufnahmen.)
    Wann immer ich jedenfalls in Paris war, schaffte ich es, Suzy zu treffen. In ihrer Wohnung. Dann trieben wir es, daß uns beiden zuletzt immer die Knie schlackerten. Dazu die meinige! Zu anstrengend, finden Sie? Wissen Sie, mein Herr Richter, in dieser Beziehung – und sollte es die einzige sein! – stelle ich, in aller Bescheidenheit gesagt, so etwas wie eine besonders wohlgelungene Schöpfung der Natur dar.
    Ach ja, noch etwas.
    Ich sagte meinen Kleinen immer sofort, daß ich Sylvia niemals verlassen und etwa sie ehelichen konnte. Und daß eine solche Heirat ja Wahnsinn gewesen wäre, denn ich besaß überhaupt kein Geld, nicht einmal so viel, um ihnen mehr als ein paar Blumen oder eine Bonbonniere zu schenken. Seltsam, alle meine Kleinen haben das immer sofort akzeptiert. Sie haben gewußt, daß ich die Wahrheit sagte, wenn ich sagte: Auf mich könnt ihr nicht bauen. Und trotzdem! Wie die Verrückten, mein Herr Richter, wie die Verrückten! Seltsam, welchen Glanz die Ruhmessonne Sylvias auch auf mich warf.
    Dieser Suzy hatte ich schon von Zürich aus – Hauptpostamt natürlich, nicht Hotel, ich bin kein Trottel! – mein Eintreffen telefonisch avisiert. Sie war selig gewesen, besonders als ich ihr sagte, ich würde diesmal zwei, drei Monate Zeit haben. Da hatte sie zu weinen begonnen. Ich mußte diesmal wirklich so lange in Paris bleiben, denn Sylvia konnte Professor Delamares Klinik ja erst verlassen, wenn ihr Gesicht völlig abgeschwollen, alle Fäden gezogen und keine Spuren des Liftings mehr zu sehen waren, nicht wahr. Ja, also da weinte Suzy vor Glück …
    Ich war den Gang sehr schnell hinabgegangen. Nun drückte ich auf den Knopf, der den Lift heraufholte. Ich freute mich auf Suzy. Ich sah sie vor mir, nackt. Sie hat den aufregendsten …
    »Monsieur! Monsieur!«
    Ich drehte mich um.
    Schwester Hélène kam mir nachgeeilt.
    »Was gibt es, Schwester?«
    »Madame hat eben geläutet …« Hélène rückte an ihrer Brille. Das Kreuz auf ihrer Brust hob und senkte sich hastig, sie war sehr schnell gelaufen. »Madame ist aufgewacht … Sie hat gefragt, ob Sie da sind, da waren, Monsieur …«
    »Und?«
    »Natürlich habe ich ja gesagt.«
    Trampel, frommer.
    »Natürlich, Schwester.«
    »Ich sagte, Sie seien gerade weggegangen …« Der Lift kam summend an und hielt. »… aber ich wollte sehen, ob ich Sie noch erreichen konnte.«
    »Sehr freundlich von Ihnen, liebe Schwester Hélène.« Ich hoffte, daß das, was ich produzierte, ein Lächeln war. Jemand mußte irgendwo auf einen anderen Aufzugknopf gedrückt haben. Die erleuchtete Kabine hinter der Milchglastür verschwand. Mit ihr meine Munterkeit.
    »Nun habe ich Sie zum Glück noch erreicht!« Hélène strahlte. »Ja«, sagte ich. »Zum Glück!«
    »Madame will Sie unbedingt sprechen! Bitte, kommen Sie!« Sie eilte schon voraus.
    Scheiße.
    Sehen Sie, was da immer noch alles dazwischenkommen konnte? Haben Sie jetzt eine erste kleine Vorstellung von dem Leben, das ich geführt habe?
    Ja?
    Wissen Sie, was? Ich könnte Ihnen ruhig ein wenig leid tun.

7
    W ölfchen …«
    »Ja, mein Hexlein.«
    »Gib mir … Hand …«
    Sylvia tastete mit ihrer Rechten über die Bettdecke, im Krankenzimmer brannte jetzt das Licht einer Stehlampe, aber sie konnte ja nichts sehen. Mit ihrem Verband war sie blind. Das Licht machte alles nur noch gräßlicher. Der weißbandagierte Kopf schien zu wachsen wie eine entfesselte Seifenblase, ein Luftballon mit zuviel Luft. Ich dachte mit Schaudern: Das geht nicht gut, das muß ja platzen, in tausend Stückchen fliegt die weiße Kugel mit Sylvias Kopf darin durchs Zimmer!
    »Du sollst mir … Hand geben!« Jetzt sprach sie französisch. Die ersten Sätze hatten wir deutsch gewechselt. Das ging von nun an so weiter in drei Sprachen, Englisch kam auch noch dazu. Domopan eben. Sylvia war zu sich gekommen, aber nur für Augenblicke, ansonsten meilenweit davon entfernt, wirklich klar zu sein. Bei ihr gingen Sprachen, Zeiten, Situationen durcheinander.
    »Hier ist doch meine Hand!« (Französisch.) Ich hatte sie Sylvia gegeben. Die ihre war nun plötzlich sehr heiß und sehr feucht.

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