Niemand ist eine Insel (German Edition)
Sie nun Ihren Namen. Langsam und deutlich, bitte.«
Dies Solo kam zuerst auf Französisch, aber die Aufforderungen wurden deutsch, englisch und italienisch wiederholt.
»Now pronounce your name. Slowly and clearly, please …«
»Adesso dica il suo nome, per favore. Lentamente e chiaramente, per favore …«
Immer dieselbe Frauenstimme. Eine gebildete Dame.
Der Regen rann mir vom Haar in die Augen, ich hatte den Hut abgenommen. Ich sagte: »Philip Kaven.«
Die Stimme: »And your number, please.«
»Ed il suo numero, per favore.«
Französisch das Ganze zuerst.
Ich sagte diesmal französisch, zur Abwechslung: »Treize.«
Dreizehn, das war die Nummer, die sie mir gegeben hatten in der vergangenen Nacht, als ich zum ersten Mal hier gewesen war. Da hatten uns Angestellte des Etablissements abgeholt in einem großen amerikanischen Straßenkreuzer. Sie sprachen kein Wort während der ganzen langen Fahrt vom Flughafen Orly bis hierher, zwei Riesenkerle. Aber auch einer von ihnen hatte aussteigen und vor dieses Milchglasfenster treten müssen, ehe das Tor sich öffnete. Bevor ich dann später ging, sagten sie mir, daß meine Kennzahl 13 sei.
»Vergessen Sie das nicht, Monsieur Kaven. Dreizehn. Ohne die Kennzahl kommen Sie nicht durch das Tor …«
Eine vornehme Bude war das vielleicht. Die vornehmste. Und natürlich die teuerste. An den Gitterstäben rund um den Park konnte kein Mensch hochklettern, oben waren noch Spitzen und ein wohl elektrisch geladener Draht. Und überall Alarmanlagen, hatten sie mir erklärt. Praktisch war dies Gebäude mitsamt Park etwa so gesichert wie der Haupttresor der Bank of England.
Nur zwei Laternen brannten hier draußen in der kurzen Rue Cavé, direkt am Rande des Bois de Boulogne. Kein Aas zu sehen. Einsamer ging es nicht. Was die wohl am Tage machten, wenn es hell war und nicht regnete, und wenn es hier Passanten gab und Verkehr? Genau dasselbe sicherlich, dachte ich. Viel Verkehr wird es hier wohl kaum geben. Und die wenigen Passanten in dieser Straße mit ihren fünf schloßartigen Villen, die kannten das sicherlich schon, wenn sie es sahen und hörten. Wenn sie es nicht kannten, mußten sie sich wundern, da konnte man ihnen nicht helfen.
»Merci«, sagte die so verführerisch klingende Frauenstimme vom Band – gewiß war sie daraufhin ausgesucht worden. Sie sagte auch noch in den drei anderen Sprachen danke. Dann schaltete das Band sich ab, das grelle Licht erlosch. Die beiden Torflügel glitten über Schienen summend auseinander. Ich trat auf den Kiesweg des Parks. Sofort schlossen sich die Flügel wieder hinter mir. Imponiert Ihnen, wie? Mir imponierte es auch.
Keine Lampen im Park. Nur auf der Erde, manchmal halb von irgendwelchem Ziergesträuch verdeckt, liefen zu beiden Seiten des Kieswegs kleine Lichtpfeile, welche die Richtung zeigten. Sie leuchteten honiggelb. Es gab jede Art und jede Menge von Bäumen in diesem Park, Ahorn, Rotbuchen, Fichten, Kiefern, Linden, Trauerweiden, sogar eine Palme! Aber die schien erledigt zu sein. Es gab jede Menge und Art von Büschen und Hecken. Es gab keine Wiese, dies war ein sehr dichter, völlig zugewachsener Park. Der Wind orgelte in den Baumkronen. Ich hatte nun wieder meinen Hut auf und folgte den Pfeilen. Blick auf die Leuchtziffern der Armbanduhr. 18 Uhr 36. Um 16 Uhr hatte ich das Hotel LE MONDE verlassen. Natürlich nicht in Sylvias Rolls, natürlich nicht in meinem Maserati Ghibli. Natürlich auch nicht in einem Taxi von dem Stand vor dem Hotel. Ich war zu einem Stand auf den Champs Élyées vorgegangen, hatte mich in eine Droschke fallen lassen und dem Chauffeur gesagt, wohin er fahren sollte, zuerst selbstverständlich in die falsche Richtung: »Place de la Concorde, bitte.«
»In Ordnung, ’sieur.«
Der Chauffeur war losgefahren wie ein Verrückter. Sind Sie schon einmal mit einem Taxi durch Paris gefahren? In der Stoßzeit? Mit einem französischen Chauffeur? Ja? Dann werden Sie mit mir fühlen. Nein, noch nie? Dann haben Sie keine Ahnung davon, wie das Leben sein kann. Keinen blassen Schimmer haben Sie. Sie sollten etwas gegen diese Bildungslücke tun. Natürlich nur, wenn Sie gute Nerven haben. Sehr gute Nerven. Falls diese Voraussetzung zutrifft, müssen Sie es tun! Es fehlt sonst einfach etwas in Ihrem Dasein. Und Sie werden niemals wirklich französisches Französisch kennenlernen.
»Crevez, salopard!«
»Ta gueule, crapule!«
»Idiot, foutez le camp!«
»Bougre de con!«
»Gueule-de-merde!«
»Mon
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