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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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den Gängen, die ich schon einmal entlanggegangen war, roch es dezent nach Klinik, äußerst dezent. Und ich begegnete keinem einzigen Menschen, ich hörte kein einziges Geräusch. Bei meinem ersten Besuch war das genauso gewesen. Hier gab es anscheinend überhaupt keine Menschen! Auch das war vorbildlich organisiert.
    Dann hatte ich die beiden Lifts erreicht. Einer war groß – für Krankentransporte –, der andere ein normaler Personenlift. Wie gesagt, ich kannte mich aus. Ich trat in den Personenlift und drückte auf den Knopf für den dritten Stock. Summend glitt der Aufzug hoch. Ich blickte in den kleinen Spiegel der Kabine. Ich sah mein Gesicht. Naß. Regen und Schweiß, Ringe der Erschöpfung unter den Augen. (Die zweite Nacht, in der ich kaum zwei Stunden Schlaf gefunden hatte.) Ich nahm den Hut ab. Wasser tropfte.
    Dritter Stock. Sehr gedämpftes Licht auf einem langen Gang. An den Türen standen nur große Zahlen, nichts sonst. Hier war ich noch nicht gewesen, aber ich wußte, wohin ich zu gehen hatte.
    Zimmer 11
    Da mußte ich hinein, ich wußte es, weil sie es mir am Nachmittag gesagt hatten, als ich aus dem LE MONDE hier angerufen hatte. Ich öffnete die Tür. Ein finsterer Vorraum. Ich fand keinen Lichtschalter. Leider hatte ich die Tür hinter mir geschlossen und fand nun auch nicht zu ihr zurück. Ich fand die gottverfluchte Tür einfach nicht mehr – Sie werden das kennen. Ich tastete die Wände ab, und mir war heiß vor Wut und Schwäche.
    Da – eine Tür! Da – eine Klinke! Ich drückte sie nieder. Die Tür öffnete sich. Ich erwartete den Gang wiederzusehen. Irrtum. Ich hatte eine zweite Tür geöffnet. Sie führte in ein großes Zimmer. Ich entdeckte auch hier keinen Schalter, aber ich sah ein wenig, denn über dem Fußboden, in die Mauer eingelassen, gab es hier hinter dickem gelbem Glas eine eingeschaltete elektrische Birne. In ihrem Schein erkannte ich ein Krankenbett, mitten im Zimmer. Ich erkannte es, weil es weiß war. Draußen heulte der Sturm, Regen peitschte gegen die Fensterscheiben. Ich ging auf das Bett zu und fiel dabei fast über einen Stuhl. Dann sah ich die Bescherung.
    Vollkommen mit dicken weißen Bandagen umwickelt der Kopf. Nur Nase und Mund waren frei. Verbände auch über den Augen. Kam mir riesig, fürchterlich vor, dieses weiße Ding. Ich sah nur dieses weiße Ding, diese mächtige Kugel. Alles andere verbarg eine Decke. Hier roch es nun allerdings kräftig nach Krankenhaus. Ich kann den Geruch nicht ertragen. Mir wurde übel.
    »Sylvia!« Nichts.
    »Sylvia!« Viel lauter. Wieder nichts.
    Dreimal noch ihren Namen, zuletzt schrie ich.
    Keine Reaktion.
    Die war weg. Konnte tot sein, so weg war die.
    Ich griff unter die Decke und suchte eine ihrer Hände. Eiskalt. Ich drückte und zwickte die Hand. Nichts. Dann bemerkte ich, daß dort, wo unter dieser Kugel Sylvias Ohren sein mußten, und hinten, im Nacken, aus dem Verband dünne Plastikschläuche herausliefen, bis zum Boden hinab. Sie hingen in ein Glasgefäß. Da ich kaum etwas sehen konnte, kauerte ich mich nieder. In dem Glas war Blut, nicht sehr viel, aber doch. Ich richtete mich wieder auf. Nun rann mir der Schweiß über den Körper. Ich zog den durchtränkten Mantel aus und warf ihn, mit dem Hut, einfach hinter mich, öffnete die Jacke, zog die Krawatte herab, riß den obersten Hemdknopf auf. Starrte diese gräßliche weiße Kugel an, die den Kopf von Sylvia barg. Von Sylvia, die reglos dalag. Das beunruhigte mich doch schon mächtig. Wenn da etwas passiert war? Ein Mann muß schließlich auch an sich denken, nicht wahr

3
    A lso gut, alle Frauen sind verrückt nach mir.
    Also schön, ich bin so einer von den Kerlen, von denen alle Frauen träumen. Also raus damit: Ich war ein Playboy.
    Hier, in diesem Untersuchungsgefängnis, ist einfach alles vorzüglich. Die heimeligen Zellen. Die Matratzen der Betten. Die psychologische Behandlung. Die sanitären Anlagen. Die medizinische und – auf Wunsch – seelsorgerische Betreuung. Das Essen. Das einfühlsam-höfliche Verhalten aller Insassen und ihrer Betreuer, angefangen von den Herren Wärtern bis hin zum Herrn Direktor. Die Möglichkeit, mancherlei Sport zu treiben. Die Bibliothek. Da gibt es nicht allein gesammelte Werke von Klassikern vieler Länder, nicht bloß nahezu alle Bücher; Fiction und Nonfiction, die – konversationsmäßig natürlich nur, versteht sich – gerade in jedermanns Munde sind. Es gibt auch die modernsten Nachschlagewerke.

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