Niemand ist ohne Schuld - Dark village ; 3
Benedicte wollte Vilde am Jackenärmel fassen. Vilde riss jedoch den Arm weg. Schnell schloss Nora die Augen. Bitte, bitte. Mach, dass das alles nur ein langer, schrecklicher Traum ist.
Der Pfarrer schlug die schwarze Bibel mit einer Hand zu. Amen.
Trines Eltern schalteten einen kleinen CD-Player ein, den sie mitgebracht hatten. Die Musik lief, während der Sarg ins Grab gelassen wurde. Von den Seiten rieselte Erde hinterher.
Nora kannte das Lied. Sie wusste noch genau, dass Trine es einmal als âSchmalzkramâ bezeichnet hatte.
Dann war der Sarg unten. Jemand nahm eine Handvoll Erde und warf sie ins Grab, dann noch einer und noch einer.
Zum ersten Mal an diesem Tag spürte Nora, wie hinter ihren Lidern die Tränen drückten. Nicht aus Trauer â diese Tränen hatte sie schon längst alle geweint. Nein, aus Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Es war so unsagbar bitter, hohl, oberflächlich und schmerzhaft zuzusehen, wie die Erde auf Trines Sarg landete, während ein Lied die Luft erfüllte, über das sie vor langer, langer Zeit nur gelacht und das sie mit einem Schulterzucken abgetan hatte.
Time can bring you down
Time can bend your knees
Time can break your heart
Have you begging âpleaseâ â¦
11
Nach der Zeremonie kamen Trines Eltern auf Nora zu.
Der Friedhof leerte sich langsam, Vilde und Benedicte warteten auf halbem Weg zum Tor. Zögernd blieb Nora am Grab stehen. Sie hatte das Gefühl, etwas Besonderes denken zu müssen, vielleicht sollte sie irgendwas sagen, zu Trine, nicht zum Rest der Welt.
Vielleicht war es die letzte Gelegenheit. Bald würde das Grab zugeschaufelt werden und es wäre nichts mehr da auÃer Gras und Blumen.
Sie sollte Tschüss sagen. Oder danke . So wie sie es immer getan hatten, auf eine Art, die nicht dumm oder klebrig oder fremd war. Aber sie fand nicht die passenden Worte.
Sie hörte ein Geräusch hinter sich. Das Rascheln von steifem, gebügeltem Stoff. Sie warf einen Blick über die Schulter.
Trines Vater hielt den CD-Player in der Hand, während seine Frau geistesabwesend an ihrem langen Rock herumfingerte.
Die Eltern waren in den Fünfzigern, sie sahen grau und müde aus. Irgendwie ausgebrannt und trocken, als könnten sie jeden Moment zu Staub zerfallen, dachte Nora.
âNoraâ, sagte die Mutter.
Der Vater nickte.
âHalloâ, sagte Nora. Sie hatte nicht mit ihnen gesprochen, seit Trine gefunden worden war.
âWie schön, dass du da bistâ, sagte die Mutter.
Der Vater lächelte freudlos.
âJa.â Nora steckte die Hände in die Hosentaschen.
âIch glaube, es hätte sie gefreut, dass so viele gekommen sindâ, fuhr Trines Mutter fort.
âBestimmtâ, flüsterte Nora.
âSie hatte dich so gern. Euch alle drei. Dich und Vilde und Benedicte.â
âJa, wir hatten sie auch gern.â
âIhr könnt uns jederzeit besuchenâ, sagte die Mutter. âWenn ihr reden wollt, oder so. Schaut einfach bei uns vorbei.â
âJa.â Nora nickte.
Trines Mutter schluckte. âIhr braucht keine Angst zu haben.â
âKlar.â
âAlsoâ, sagte der Vater. âDie anderen warten am Auto auf uns.â
âWir haben noch ein Essen mit der Familieâ, fügte die Mutter hinzu.
âJaâ, sagte Nora.
âDann bis bald, Nora.â
âMmm.â
âDanke, dass du gekommen bistâ, sagte der Vater. âWirklich.â
âJa.â Nora versuchte zu lächeln. âIst doch klar.â
âJaâ, murmelte Trines Mutter.
Sie und ihr Mann wandten sich langsam um und gingen zum Parkplatz. Unterwegs kamen sie an Benedicte und Vilde vorbei. Die Mutter streckte den Arm aus und strich beiden flüchtig über die Hand, der Vater nickte ihnen zu.
Vilde und Benedicte erstarrten. Als hätte der Tod sie berührt. Dann waren Trines Eltern fort.
Benedicte winkte Nora zu. Selbst auf diese Entfernung konnte Nora erkennen, dass ihre Nägel knallrot lackiert waren. War das nicht total unpassend für eine Beerdigung?
Vilde winkte auch zu ihr rüber. Sie machte einen unruhigen und aufgewühlten Eindruck. Groà und dunkel und schlank und auf eine unbeholfene Art schön, sprach doch knisternde Unruhe aus ihrem Blick und ihrer Haltung.
Nora kehrte dem Grab den Rücken zu. Eigentlich hatte sie das Gefühl, als müsste sie noch irgendwas tun oder sagen, aber sie konnte
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